DIAKONISCHE PILGERREISEN: DER BLOG
Wir entdecken Diakonische Pilgerorte –
diesmal auf der Spur von: Dr. Beate Jakob
Sie beschäftigen sich beruflich und/oder ehrenamtlich mit Diakonie. Was liegt Ihnen dabei besonders am Herzen?
Mir liegt besonders am Herzen, dass der diakonische Auftrag nicht nur von den professionellen Diensten wahrgenommen wird, sondern als Auftrag aller Getauften verstanden und ausgeübt wird. Deshalb ist es wichtig, die professionellen Dienste und die Kirchengemeinden miteinander zu verbinden, damit die diakonischen Dienste in der Gemeinde verortet sind und die Gemeinde als Kraftquelle erfahren.
Gibt es eine persönliche Erfahrung, die Ihnen den Kern diakonischer Arbeit existenziell vor Augen geführt hat?
Da denke ich spontan an ein Beispiel aus Indien, das uns kürzlich eine Difäm-Partnerin aus Indien vorgestellt hat. Die indische Ärztin Dr. Vandana Kanth vom Duncan Hospital in Bihar, Indien, hat erkannt, dass es wichtig ist, die Gemeinden im Umkreis des Krankenhauses aktiv in die Gesundheitsversorgung einzubinden, anstatt einen ausschließlich kurativen, krankenhausbasierten Ansatz zu praktizieren.
Mit einem Team von Mitarbeitenden des Krankenhauses geht sie regelmäßig in die umliegenden Dörfer und das Team leistet eine medizinische Versorgung vor Ort. Darüber hinaus werden auch Dorfgesundheitshelferinnen ausgebildet. Ihnen wird ein Basiswissen zu Gesundheit und vor allem zur Vorbeugung von Krankheiten vermittelt und sie lernen, einige Krankheiten direkt zu behandeln. Mit den Gemeindemitgliedern wird zudem überlegt, was sie selbst zur Gesundheit in ihren Dörfern beitragen können – zum Beispiel wie sie HIV-Infektionen vermeiden können, wie eine gesunde Ernährung zubereitet wird und welche Hygieneregeln eingehalten werden müssen.
Seit zwei Jahren arbeitet dieses Projekt mit den Gemeinden auch am Thema psychische Gesundheit, da Alkohol, häusliche Gewalt und Suizide ein großes Problem sind.
Beispielhaft das Zitat einer jungen Frau: „Es tut mir nicht sehr weh, wenn mein Mann mich schlägt, weil ich das nach einiger Zeit vergesse und der Schmerz nachlässt. Aber die Worte, mit denen er mich erniedrigt und missachtet, töten meine Seele und meinen Geist und das halte ich nicht aus.“
Um Menschen wie dieser Frau ein Leben in Würde zu ermöglichen, wurden soziale und spirituelle Komponenten mit in das Programm aufgenommen: Die Frauen bekommen zum Beispiel ein kleines Darlehen und psychologische Betreuung. Menschen in den Dörfern und Projektmitarbeitende beten mit ihnen. Ein solcher ganzheitlicher Ansatz beugt Suiziden vor.
Was macht Ihrer Meinung nach einen – oder diesen – „diakonischen Ort“ zum spirituellen Kraftort (Geschichte, Gestaltung, Personen …)?
In dem Projekt in Indien wie bei den Orten des Zuhörens geht es um ein Miteinander, das mehr ist als praktische Hilfe oder das gemeinsame Finden von Lösungen. Zu spüren, dass andere Menschen bei einem sind, gibt neuen Mut und Energie. Im gemeinsamen Gebet ist Gottes Geist spürbar und als Kraftquelle erfahrbar.
Was würden Sie in Ihrem Arbeitsumfeld räumlich ändern, wenn Sie die Freiheit und Mittel dazu hätten, damit die Arbeit, die Ihnen am Herzen liegt, noch besser gelingt?
Hier denke ich persönlich weniger an die Gestaltung von konkreten Räumen. Das ist natürlich wichtig – aber mein Anliegen ist, dass in Gemeinden „geschützte Räume“ entstehen. Im Englischen spricht man von „safe“ oder „sacred spaces“ und meint damit Orte/Räume/Begegnungsmöglichkeiten, an denen sich Menschen frei und offen begegnen und austauschen können, anstatt eine Rolle spielen zu müssen. Das kann zum Beispiel ein Gesprächsangebot sein, ein Hauskreis, eine Trauergruppe usw. – Orte, wo Menschen sich nicht als stark und als „Sieger“ präsentieren müssen, sondern auch einmal ihre Masken ablegen und ihre Schwachheit und Hilfsbedürftigkeit benennen dürfen. Dadurch wächst in Gemeinden auch das Bewusstsein, nicht eine Gemeinschaft von Starken zu sein, sondern von Un-Perfekten, die alle auf Gottes Gnade angewiesen sind.
Vielen Dank!
Link zu den Webseiten: www.difaem.de
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