„Der Protestantismus muss in der Krise der Moderne zum Verständnis menschlicher Lebensführung etwas anderes beitragen als die Apologie der individuellen Freiheit. Sein Beitrag muss auf eine Gestalt menschlichen Lebens zielen, in der solidarische, kommunikative Freiheit wirklich wird.
Der Beitrag des Protestantismus zur Theorie der Lebensführung kann mit guten Gründen nicht länger auf das Modell der Konkurrenz bezogen sein, also auf die religiöse Legitimation einer Lebensform, in der die Leistung, mit der ich die anderen überflügle, als Beweis meiner Erwählung durch Gott gilt. Der Beitrag des Protestantismus kann sich statt dessen mit guten Gründen am Modell der Konvivenz orientieren, also an der Frage, wie ich die Möglichkeiten, die Gottes tröstlicher, gnädiger Bund mir gibt, in den Dienst gelingenden gemeinsamen Lebens stelle.“
Wolfgang Huber, 1990