„Eine Bank ist kein Zuhause“. Die Obdachlosenhilfe hat das vor 25 Jahren plakatiert, damals, als die Zahl der Wohnungslosen wuchs, weil es immer weniger geförderte Wohnungen gab. Sozialer Wohnungsbau galt als überholt – der Markt könne das besser, meinte man. Eine Zeit lang lief es ja anscheinend. Wohnen und Wohnungslosigkeit, das waren Themen der Fachleute. Wohnungswirtschaft und Stadtplanung auf der einen Seite, auf der anderen Obdachloseneinrichtungen und Bahnhofsmissionen. Aber in den letzten Jahren sind die Hilferufe wieder lauter geworden – allein in Berlin leben rund 37.000 Wohnungslose, fast ein Viertel davon mit Kindern[1]. Die Zahl der Betroffenen hat sich zwischen 2014 und 2017 vervierfacht. Manchmal, wenn einer erfriert, weil Unterkünfte fehlen, oder wenn einer im S-Bahnhof einem Brandanschlag zum Opfer fällt – erschrickt die Gesellschaft kurz. Über die Menschenverachtung, die Schutzlosigkeit… Manch einer muss selbst schmerzhaft feststellen, dass die Miete kaum noch bezahlbar ist.4084
Wir brauchen vier Wände und ein Dach, das uns schützt. Selbst Füchse haben Höhlen und Vögel haben Nester, aber Menschen haben keinen Platz, wo sie zur Ruhe kommen können? Das sagt Jesus, der selbst keinen Platz hatte. Er weiß, wovon er spricht.
Jeder Mensch braucht ein Zuhause. Wohnen ist ein Menschenrecht[2]. Und doch machen die langen Schlangen bei Wohnungsbesichtigungen mutlos. Erfahrungen mit Wucherpreisen und Entmietung machen wütend. Die Preise für Baukosten und Wohnen gehen durch die Decke. Mehr als 10.000 Menschen haben vergangenes Wochenende deswegen demonstriert. „Ausspekuliert“ war das Motto der großen Mieterdemo in München[3]. Heute findet in der Hauptstadt der Wohngipfel statt – mit Immobilien- und Bauwirtschaft, Kommunen, Gewerkschaft und Verbänden. Sonderabschreibung für den Bau von Mietwohnungen, Baukindergeld… reicht die Wohnraumoffensive der Regierung aus? Hilft sie Familien mit kleinen und mittleren Einkommen, den Mietern und den Wohnungssuchenden? Das bleibt strittig. Die Angst vor Verdrängung sitzt tief. Seit gestern tagt auch der alternative Wohngipfel – auf dem Sozialverbände und die Mieterseite stärker vertreten sind[4]. Für die Regierung scheint das Thema Wohnen erstmal untergegangen – der jüngste Koalitionsstreit hat das wirklich Dringliche verdrängt. Und den Bauexperten im Bundesinnenministerium, Staatssekretär Gunther Adler, gleich mit.
Dabei brennt die Hütte. Es kann doch nicht sein, dass Familien aufs Land ziehen, weil sie sich die Miete in der Stadt nicht leisten können – und jetzt mit ihrem Diesel gar nicht mehr rein kommen in die Stadt. Es kann doch nicht sein, dass Studierende in den Unis campen müssen[5]. Oder dass ältere Menschen sich ihre Wohnung nicht mehr leisten können, wenn der Partner ins Heim muss oder stirbt. Irgendetwas läuft grundsätzlich falsch. Die Probleme beim Bauen und Mieten sind ein Spiegel unserer Gesellschaft: Von Kreuzberg bis St. Pauli werden Stadtviertel saniert – und die, die dort Zuhause waren, müssen raus. Inzwischen kann man die Spaltungen zwischen arm und reich im Stadtplan erkennen. Der Wohnqualität, dem sozialen Miteinander tut das nicht gut[6]. Aber viele Städte sind wie gelähmt – sie haben Wohnungsbestände veräußert oder lange nicht mehr gebaut; es fehlt an Ressourcen.
Jeder Mensch braucht ein Zuhause. Einen Ort, wo man die Türe hinter sich schließen kann. Vier Wände, die man selbst gestalten und bezahlen kann. Keine Ghettos, sondern gemischte Quartiere, wo einer dem anderen vertrauen kann.
Selbst Füchse haben Höhlen und Vögel haben Nester. Und eine Bank für die Nacht ist kein Zuhause. Jesus wusste das. Dass wir einen Platz haben in Gottes Haus gehört zu seinen größten Versprechen: „In meines Vaters Haus sind viele Wohnungen.“ Vielleicht muss man wissen, wie es ganz unten aussieht, um zu verstehen, wonach sich Menschen sehnen. Das sollte jetzt Thema sein, im Heimatministerium und in der politischen Debatte. Diskutieren Sie mit, auf Facebook unter „Evangelisch im Deutschlandradio“.
26.09.2018, 6.35 Uhr, Deutschlandfunk DLF