„Nur die Empfänger wissen, welche Ziele sie über Selbstverteidigung hinaus mit diesen Waffen verfolgen“. Das stellt die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung der Deutschen Bischofskonferenz und der EKD fest. 2014 schon. Es geht um den Kampf gegen den IS und die Waffenlieferung an die kurdischen Peschmerga-Truppen im Irak. Es ergäben sich unkontrollierbare „Risiken und Gefahren“, schrieben die Experten[1]. Über Alternativen wie eine Intervention unter dem Dach der Vereinten Nationen habe man viel zu wenig diskutiert. Und es fehle an einem umfassenden Konzept für die Region.
Dass „nur die Empfänger wissen, welche Ziele sie mit den Waffen verfolgen“, das muss man inzwischen wohl auch für das Nato-Land Türkei sagen. Fotos zeigen, wie Leopard-Kampfpanzer aus deutscher Produktion in Syrien einrollen[2]. Die türkische Armee nutzt sie offenbar für ihre Offensive gegen die kurdische YPG-Miliz im Nordwesten Syriens – die international und auch von der Bundesregierung äußerst kritisch gesehen wird.
Gleichzeitig wird geprüft, die türkischen Leopard-Panzer durch Rheinmetall modernisieren zu lassen. Ein Waffengeschäft, das die Wiederannäherung zwischen Berlin und Ankara befördern soll – und zugleich die Freilassung des Journalisten Denniz Yükzel[3].
Damit ist der Konflikt endgültig bei uns angekommen. Es sind unsere Waffen, die in der Region aufeinandertreffen. Und hier in Deutschland treffen die verschiedenen Communities aufeinander. Für morgen hat der Kurden-Verband zu einer Demo in Köln aufgerufen. 15.000 werden erwartet. Und am Montag sind auf dem Flughafen in Hannover kurdischen Demonstranten und türkischstämmige Fluggäste aneinandergeraten – über die türkische Offensive in Syrien. Die Operation Olivenzweig.
Wenn ich „Olivenzweig“ höre, sehe ich keine Panzer vor mir, sondern eine Friedenstaube mit Ölzweig im Schnabel. Und ich denke an das Bibelwort des Propheten Jesaja: “Wie lieblich sind die Füße dessen, der frohe Botschaft bringt, der Frieden verkündet… (Jes 52,7) denn jeder Stiefel, der mit Gedröhn daher geht, und jeder Mantel, durch Blut geschleift, wird vom Feuer verzehrt (Jes 9,4)“.
Nein, ich bin keine Pazifistin; jedenfalls nicht mehr. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man dem Kriegsherrn Assad mit Diplomatie das Handwerk hätte legen können. Und Adolf Hitler auch nicht – das hat die Geschichte gezeigt. Aber dass die Waffenexporte aus Deutschland in der letzten Legislaturperiode von 20 auf 25 Milliarden Euro gestiegen sind[4] -, das führt sicher auch nicht zum Frieden. Jedenfalls weiß ich nicht, wie die türkische Offensive Frieden bringen soll, weder in Syrien noch in der Türkei selbst.
Man werde beten für den Sieg „unserer heldenhaften Armee und Soldaten“, stand auf der Internetseite eines Imam in Baden-Württemberg. Moscheen forderten ihre Gläubigen auf, „zahlreich die Fetih-Sure zu lesen“, die 48. Sure über den Sieg. In Deutschland wurden diese Bitten inzwischen von den Homepages gelöscht. Aber der türkische Religionsattaché hat den Aufruf der Religionsbehörde verteidigt. Die Sure sei als Beitrag zum Frieden gemeint gewesen[5].
Ich finde es unerträglich, Feldzüge zu segnen. Mich erinnert das an unsere eigene furchtbare Geschichte im ersten Weltkrieg. Auf den Kirchlichen Kriegsgrüßen stand damals: „Fromm und stark, deutsch bis ins Mark.“ Die Botschaft: „Lasst Eure Herzen schlagen zu Gott und Eure Fäuste auf den Feind“.
Nein, wer verantwortlich mit der Geschichte Europas umgehen will, der muss genau hinschauen. Dem Frieden dienen Waffengeschäfte nicht. Die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung der evangelischen und katholischen Kirche fordert eine europäische Rüstungskontrolle, weil Rüstungsgeschäfte national immer weniger zu kontrollieren sind. Und Gebete sollten sich auf Verständigung ausrichten. Das muss auch für die Zusammenarbeit mit den Moscheegemeinden gelten.
26.1.2018, 6.35 Uhr, Deutschlandfunk DLF
[1] http://www3.gkke.org/73.html; http://www.faz.net/aktuell/politik/gkke-kritisiert-waffenlieferung-an-peschmerga-in-nordirak-13307701.html
[2] http://www.sueddeutsche.de/news/politik/konflikte-tuerkei-setzt-offensichtlich-deutsche-panzer-in-syrien-ein-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-180122-99-741498
[3] http://www.spiegel.de/spiegel/deniz-yuecel-bundesregierung-bietet-tuerkei-panzerdeal-an-a-1188854.html
[4] http://www.sueddeutsche.de/news/wirtschaft/ruestungsindustrie-deutlich-mehr-ruestungsexporte-unter-grosser-koalition-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-180124-99-774086
[5] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/ditib-laesst-in-deutschland-fuer-sieg-der-tuerkei-in-syrien-beten-a-1189223.html