Ziele von Organisationen jenseits von Ressourcengewinnung
Ein Kommentar zum Input aus Sicht von Kirche und Diakonie
Quartier und Stadtteil. In Kirchen und Wohlfahrtsverbänden hat die regionale Ebene wachsende Bedeutung. Sie ist Planungsebene für die Konzept- Budget- und Stellenentwicklung, für die Verschränkung von Kirche / Diakonie und Caritas. Hier werden Stiftungen, Fundraising und Freiwilligenmanagement organisiert. In der Quartiersarbeit gibt es oft eine sehr eine sehr unmittelbare Wahrnehmung von den sozialen Veränderungsprozessen. Die Kooperation zwischen Wohlfahrtsverbänden und Freiwilligenarbeit, zwischen Kirchen und Schulen ist in den letzten Jahren kontinuierlich besser geworden. Die Berührungspunkte zur Wirtschaft sind aber nach wie gering. Gerade hier wäre natürlich interessant neue Partnerschaften zu schließen: für Freiwilligenprojekte, Familienzentren oder Mehrgenerationenhäuser, bei Projekten für Schüler und Lehrlingen oder im Blick auf die Tafeln. Dazu müssen Gemeinden allerdings das enger werdende Mittelschichtmilieu verlassen und sowohl auf Arme und Arbeitslose, als auch auf Unternehmer und Unternehmerinnen zugehen. Sie brauchen dazu nicht nur eine Gemeindekonzeption, sondern auch ein Konzept für die Ressourcengewinnung – vom Freiwilligenmanagement bis zum Fundraising. Hier sind wir über die ersten Schritte noch nicht hinaus.
Sozialwirtschaft als Teil der Wirtschaft: Auf der Ebene der Landeskirchen und der Landesverbände der Diakonie hat sich das Verhältnis von Kirche und Wirtschaft in den letzten Jahren deutlich verbessert. Dabei spielt der Wandel des Sozialstaats eine entscheidende Rolle. Kirchen und Wohlfahrtsverbände wissen, dass sie längst kein „Monopol“ mehr auf die Gestaltung von Hilfeprozessen haben, sondern dass sie auf dem Wohlfahrtsmarkt neben privaten Initiativen und Unternehmen bestehen müssen. Die Einrichtungen und Dienste von Diakonie und Caritas haben sich zu Dienstleistungsunternehmen gewandelt und verstehen sich als Teil der Sozialwirtschaft. Dabei ist allerdings die Spannung zum Selbstverständnis der Gemeindebasis gewachsen. Bei vielen Mitgliedern herrscht der Eindruck, Gemeinnützigkeit und kirchliche Trägerschaft dieser Unternehmen und ihre Unternehmenskultur seien nur noch schwer in Einklang zu bringen. Es bedarf einer neuen Anstrengung, um das diakonische Profil, die Arbeit mit Freiwilligen und die berufliche Dienstleistung wieder zu verknüpfen – und manchmal ist diese Herausforderung größer als die, Brücken zur Wirtschaft zu schlagen. Wo das gelingt, können Wohlfahrtsverbände zu Mittlern zwischen Wirtschaft und Quartier werden.
Diakonie als Partner der Wirtschaft: Sozialunternehmen verstehen sich immer weniger als ein Gegenüber zur Wirtschaft. Ihre Vorstände sind Mitglieder in Unternehmensverbänden, sie lassen sich von den entsprechenden Firmen beraten und prüfen und denken in ökonomischen Kategorien. Zugleich werden ihnen von ihren Kunden wie von den Trägerverbänden, aber auch von der Wirtschaft andere Erwartungen entgegengebracht. Als gemeinnützige Unternehmen sollen sie in besonderer Weise mit der Region verbunden sein, Freiwillige aktivieren, Benachteilige integrieren familienfreundliche Angebote machen , ihre Mitarbeitenden motivieren – kurz: eine diakonische Unternehmenskultur leben. Mit diesem Profil können sie ein reizvoller Partner für die produzierende Wirtschaft oder das Dienstleistungsgewerbe sein kann. Aber auch im Sozialbereich ist die Arbeitsverdichtung genauso gewachsen wie der Niedriglohnsektor, auch hier wird um den Mindestlohn gestritten. Idealisierung ist deshalb genauso wenig angebracht wie eine übertriebene Kritik an der Wirtschaft. In gemeinsamen Projekten (wie z.B. beim „Miteinander-Management der Diakonie der Ev.-luth. Kirche in Bayern )sind beide herausgefordert, eine gemeinsame Sprache zu entwickeln, gemeinsame Herausforderungen wahrzunehmen, aber auch die Unterschiede in der Unternehmenskultur zu respektieren. Ziel muss sein, einander anzuregen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen:
Die Kirchen und die neue Subsidiarität: Leitungsgremien in der Kirche haben die Aufgabe, die unterschiedlichen Ebenen und Gestalten der Kirche – von der Gemeinde bis zum Diakonieunternehmen miteinander so ins Gespräch zu bringen, so dass Vernetzung und innerkirchliche Lernprozesse möglich werden. Ziel ist ein deutliches Profil kirchlichen Handelns in einer pluralen Gesellschaft , zugleich aber auch eine neue Kooperation mit anderen Verantwortungsträger, in Wirtschaft und Bildungseinrichtungen oder auch in der Zivilgesellschaft. Dazu ist nötig, das manchmal spannungsreiche Verhältnis zwischen Kirche und Wirtschaft neu zu reflektieren, wie es die EKD in ihrer Denkschrift „Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive“ getan hat. Darin heißt es „ Diakonische Einrichtungen und Unternehmen auf allen Ebenen konnten schon immer auf den Gründergeist , das soziale Engagement und die Kompetenz von Unternehmern und Unternehmerinnen bauen“. Tatsächlich verdanken sich die sozialen Aufbrüche in der Mitte des 19. Jahrhunderts von der Jugendarbeit bis zur Entwicklung der Wohlfahrtspflege genauso wie der soziale Wiederaufbau in der Zeit nach dem 2. Weltkrieg dem starken Engagement von Christen in den Unternehmen wie in der Kirche. Die so genannte Unternehmerdenkschrift, die ich eben zitiert habe, versteht CSR als eine Form des Dialogs, den jedes Unternehmen mit seinem gesellschaftlichen Umfeld führen muss, um über die kurzfristige Gewinnerzielung hinaus nachhaltig wirtschaften zu können.
Kriterien der Zusammenarbeit: Auch für Unternehmen ist es nicht immer leicht, sich auf Kirchen oder kirchliche Wohlfahrtsverbände als Partner einzulassen. Als Geschäftsführerin der EKD-Initiative „Arbeit plus“, die Unternehmen für gute Arbeit auszeichnet, bin ich gelegentlich der Auffassung begegnet, die religiöse Pluralität in der Mitarbeiterschaft verbiete ein kirchliches Siegel. Tatsächlich geht es bei diesem Zertifizierungsverfahren darum, anhand klarer Kriterien zu prüfen, was ein sozial engagiertes Unternehmen ausmacht- von der Gesundheitsvorsorge bis zur Fortbildung, von der Familienfreundlichkeit bis zum Umgang mit Auszubildenden, vom Umgang mit älteren Mitarbeitern bis zur Umweltverträglichkeit. Ethische Kriterien einer guten, nachhaltigen Unternehmensführung – es lohnt es sich auch dann danach zu fragen, wenn man einen Partner für Freiwilligenarbeit oder Sponsoring sucht. Gleichwohl: so wichtig wie objektive Kriterien ist das wechselseitige Vertrauen, das gemeinsame Engagement für ein Drittes – für die Region, für Integration, für Nachhaltigkeit. Vertrauen ist auch dann nötig, wenn in einer Kooperation Irritationen entstehen, weil die Partner ökonomische oder personelle Entscheidungen der anderen Seite nicht nachvollziehen können. Solches Vertrauen wächst am ehesten in der Region.
Zivilengagement einüben: Meine eigenes Engagement in diesem Sektor lebt von einer Fülle gelungener Beispiele der Zusammenarbeit –beginnend mit der Unterstützung eines Gemeinwesenprojekts durch die Wirtschaft vor Ort, über das betriebliche „Leasing“ von Plätzen in einer Tageseinrichtung durch verschiedene Unternehmen, die Zusammenarbeit eines niederrheinischen Kirchenkreises mit einer Wohnungsbaugenossenschaft, die dann auch eine Pfarrstelle finanzierte, bis hin zu den „day of caring“ einer Anwaltskanzlei im diakonischen Unternehmen. Bei Projekten in der Kinder- und Jugendarbeit und Initiativen mit behinderten Menschen spielen Angehörigen und Eltern eine Schlüsselrolle. Sie sind es oft, die Brücken zwischen Unternehmen und Gemeinwesen bauen. Freiwilligenprojekte von Unternehmen oder auch Seitenwechsel-Projekte in der Wohlfahrtspflege können solche Initiativen stärken. Zivilengagement, das Institutionen und Kulturen übergreift, muss eingeübt werden – und zwar möglichst früh. An Schulen im angelsächsischen Raum ist eine bestimmte Stundenzahl Freiwilligen Engagements nötig , um den Schulabschluss zu erhalten. Diese Tradition fehlt bei uns – stattdessen haben wir traditionell starke Jugend- und Wohlfahrtsverbände . Angesichts des gesellschaftlichen Wandels, der Familien wie Kirchen und Wohlfahrtsverbände erreicht hat, kommt auf Schulen wie auf Unternehmen eine neue gesellschaftliche Verantwortung zu. Gemeinsam werden alle Institutionen darauf achten müssen, dass sich eine neues Verständnis von Engagement und Subsidiarität etabliert. Fonds und Spendenparlamente oder Förderpreise, wie sie auch von Kirchen ins Leben gerufen werden, können dazu beitragen.