Wandel und Chancen der Zivilgesellschaft

1. Engagement, das begeistert
„Deutschland bedankt sich für Engagement, das begeistert” – so war die Einladung zu einer Veranstaltung des Bundesministeriums zur Arbeit und Soziales zur Verleihung von Ehrenamtspreisen vor wenigen Wochen überschrieben. In dem schön gestalteten kleinen Heft wurden Tafeln und Mittagstische genauso vorgestellt wie ein Projekt für Straßenkinder oder die Quartiersarbeit. Im Rampenlicht standen dabei einzelne Personen: Initiatoren, Gründerinnen, Stifter. Menschen, die etwas ändern wollen. So hat ja soziale Innovation immer begonnen: mit einzelnen Menschen, die die Initiative ergriffen haben, mit Wichern und Kolping, mit Oberlin und Bodelschwingh, Cecily Sounders und Karl-Heinz Böhm. Die großen Verbandsdächer, die uns so vertraut sind, wie Diakonie, Caritas oder AWO, sind daraus überhaupt erst erwachsen. In den letzten Jahren hatten manche den Eindruck, als wären die Dachstühle inzwischen marode – weil dem Sozialstaat, vor allem aber den Kommunen, das Geld ausgeht, vielleicht aber auch, weil zu viele sich darauf verlassen haben, dass alles schon für sie geregelt wurde. Jetzt aber wird durch die Balken der sozialstaatlichen Konstruktionen hindurch das zivilgesellschaftliche Engagement wieder erkennbar, das der Kern aller Wohlfahrt ist:

Ob es um die Zukunft der Pflege geht oder um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, um die Inklusion behinderter Menschen oder um Armutsbekämpfung: Subsidiarität muss in Zukunft so gestaltet werden, dass professionelle soziale Dienste bürgerschaftliches Engagement stützen und dabei möglichst Partner und Sponsoren in der Wirtschaft finden. Ehrenamtliche sind die „Detektoren” für neue soziale Notlagen und offene gesellschaftliche Fragen, sie bilden die Brücke zwischen Nachbarschaft und professionellen Dienstleistern, sorgen für Zusammenhalt der Institutionen und Menschen im Quartier.. Was wären Tageseinrichtungen und Schulen ohne ehrenamtliches Engagement? Was die Palliativstationen und Hospize ohne die Bereitschaft von Menschen, sich Sterblichkeit aktiv zu stellen, um das Leben neu zu entdecken? Wie sähe die Integration behinderter Kinder aus ohne den wunderbaren Einsatz der Eltern, die sie zur trotz vieler schmerzhafter Erfahrungen zur Welt gebracht und erzogen haben? Wer würde die Alzheimer-Erkrankung zum gesellschaftlichen Thema machen, wenn nicht die Angehörigen? Die neuen sozialen Bewegungen von der Hospizbewegung bis zur Tafelbewegung zeigen: Längst sind Menschen in diese Richtung unterwegs. Sie schließen sich zusammen – quer zu den alten, konfessionell oder weltanschaulich geprägten Verbändestrukturen. Zum Teil von Sponsoren aus der Wirtschaft unterstützt, wie bei der Tafelbewegung, geben sie auch Kirche und freie Wohlfahrtspflege neue Anstöße.

Die innovative Kraft bürgerschaftlichen Engagements soll in diesem Jahr in ganz besonderer Weise in den Mittelpunkt gestellt werden. 2011 ist das europäische Jahr der Freiwiligentätigkeit. Und ich hoffe, dass immer mehr Menschen auch für sich entdecken, dass Geben gibt. „Geben gibt“ ist übrigens der Titel des deutschen Engagementpreises, den das Familienministerium vor drei Jahren ins Leben gerufen hat. Auch diese Preisträger wurden im Dezember geehrt – und ich erinnere mich an die inspirierende Veranstaltung in Berlin: Da war der Unternehmer, der selbst einen Konkurs erlebt hatte und dann in die Offensive gegangen war – mit Gruppen, in denen Menschen einander auf die Beine helfen, damit sie ihre zweite Chance ergreifen. Da war der türkische Lehrer aus Kreuzberg, der Integrationsprogramme für türkische Männer entwickelt hat. Oder die Jugendlichen von „Schüler helfen leben“. Jeder einzelne von ihnen von der Idee überzeugt, für die er stand. Geben gibt.

2. Geben gibt

In den 80er Jahren haben wir in einer Mönchengladbacher Kirchengemeinde einen so genannten „Gemeindeladen“ gegründet – einen Stadtteilladen mit Bücherei und Cafe, mit Kleiderkammer und Sozialberatung, der von einem großen ehrenamtlichen Team zusammen mit einer hauptamtlichen Sozialpädagogin geführt wurde. Ich werde nicht vergessen, wie viele Menschen sich dort meldeten, um mitzumachen – Frauen, die gern für andere Kaffee ausschenkten, anderen, die es liebten, jemandem in der Kleiderkammer herauszusuchen, was ihm wirklich stand. Tatsächlich hatte ich bei den Teamsitzungen im „Gemeindeladen“ oft die Werke der Barmherzigkeit vor Augen, die Diakonie ganz elementar beschreiben:[1] Hungrige speisen, Kranke besuchen, Nackte kleiden, Durstigen zu trinken geben, Gäste beherbergen. In diesen einfach menschlichen Begegnungen können wir existenzielle, ja, religiöse Erfahrungen machen. Denn die Erschütterung durch die Bedürftigkeit anderer erinnert uns an die Bedürftigkeit unserer eigenen Seele; an das innere Kind, die eigene Armut, den Bettler in uns.

Wer anderen so begegnet, lernt, das eigene Leben mit anderen Augen zu sehen, und Belastungen ins Verhältnis zu den eigenen Chancen zu setzen. Er findet Zugang zu den eigenen Kraftquellen, weil er lernt, die eigenen Gaben einzubringen. Selbst größte äußere Belastungen ändern nichts an dieser Grunderfahrung. Victor Frankl, ein jüdischer Psychotherapeut, hat im Konzentrationslager die Entdeckung seines Lebens gemacht. Alles hängt davon ab, sagt er, ob wir einen Sinn in unserem Leben und auch in unserem Leiden finden. Am Ende kommt es darauf an, ob unser Leben Bedeutung für andere hat – und sei es nur für einen Menschen, den wir lieben. Es kommt darauf an, dass wir unseren Beitrag leisten – uns sei er noch so klein – damit Güte und Gerechtigkeit sich ausbreiten. Wer darauf schaut, so Frankls Erfahrung, erträgt auch Demütigungen, an denen andere zerbrechen. Wir schöpfen Lebensmut daraus, dass wir nicht nur für uns selber leben, dass wir unsere Talente einbringen. „Lebe Dein Leben. Lebe es so, als läge ein Segen auf ihm. Versuche Dein Glück, damit Du Dein Talent nicht in der Erde vermodern lässt.“, schreibt der Dichter John Updike.

Geben gibt. Wenn wir uns ehrenamtlich engagierten, geben wir Zeit für eine Aufgabe, die uns am Herzen liegt. Alle Versuche, dieses Engagement zu stark einzuhegen und zu kanalisieren, um es effektiver zu gestalten, stoßen deshalb an Grenzen. Wenn ehrenamtliches Engagement den Rückgang an hauptamtlich Mitarbeitenden auffangen soll, entstehen leicht Überforderungssituationen. Wenn Ehrenamtliche mit Ein-Euro-Jobbern und 480-Euro-Kräften zusammenarbeiten, bekommen sie schnell das Gefühl, der „billige Jakob“ des Sozialstaats zu sein. Ehrenamtlich Engagierte brauchen eigene Gestaltungsmöglichkeiten, sie wollen ihre Interessen und Kompetenzen einbringen, sich bilden und neue Kompetenzen entwickeln und dabei Erfahrungen machen, die ihnen auch in anderen Lebensbereichen zugutekommen.

Vor kurzem erschien der 3. Freiwilligensurvey der Bundesregierung, der auf repräsentativen telefonischen Interviews mit 20.000 Befragten beruht. Entsprechende Untersuchungen wurden bereits 1999 und 2004 durchgeführt, um das ehrenamtliche Engagement in Deutschland quantitativ und auch qualitativ beschreiben zu können und dadurch Entwicklungen aufzuzeigen. Die neue Untersuchung zeigt: die Bereitschaft, sich zu engagieren wächst – und auch das Image des Ehrenamtlichen Engagements ist gestiegen. Die Arbeitsverdichtung, die viele Menschen erleben, und die Tatsache, dass viele jüngere in der so genannten „Rush hour“ des Lebens kaum Zeit finden für ehrenamtliches Engagement, weil sie Karriere machen und mobil sein müssen – wird ausgeglichen durch immer mehr ältere Engagierte und auch durch engagierte Familien.

Die Untersuchung zeigt aber auch einen deutlichen Wertewandel: das Ende der Spaßgesellschaft – eine Bewegung hin zur Wir-Orientierung. Menschen engagieren sich ganz bewusst für das Gemeinwohl. Nicht im Sinne eines selbst vergessenen Altruismus, sondern in dem Bewusstsein, dass es uns selbst etwas bringt, wenn wir etwas sinnvolles tun – nämlich Freude, Lebenssinn, aber auch Kompetenzen und Qualifikation. Dabei ist die Frage, welche Qualifikation das Ehrenamt bringt und ob es auch einen beruflichen Nutzen hat, natürlich für Jüngere wichtiger als für Ältere. Wer inzwischen in der dritten Lebensphase ist, dem macht es vielleicht Freude, seine erworbenen Qualifikationen an Jüngere weiter zu geben, sich in einem Senior-Service zu engagieren oder auch Kinder und Jugendliche mit einer Lesepatenschaft oder einer Ausbildungsbegleitung zu unterstützen. Vor allem den Älteren ist es sehr wichtig, dass ehrenamtliches Engagement die Chance bietet, auch mit anderen Generationen zusammen zu arbeiten und einfach mitzubekommen und mitzugestalten, was sich an Neuem entwickelt. Ehrenamt – das heißt eben auch, mitten im Leben zu stehen. An den Brennpunkten, in sozialen Einrichtungen oder auch im Bildungsbereich. Der Gerontologe Andreas Kruse meint, dass es an der Zeit ist, Produktivität in unserer Gesellschaft neu zu definieren. Zur Produktivität gehört nämlich auch die Auseinandersetzung mit Verlusten, mit Scheitern und Endlichkeit.  Gerade nach der Erwerbstätigkeit ist eine ehrliche Auseinandersetzung mit Scheitern und Grenzsituationen möglich. Davon profitieren nicht nur die Betroffenen selbst, sondern auch ihre Angehörigen und Freunde. Daraus erwachsen neue Kräfte für unsere Gesellschaft – die Fähigkeit zur Selbstverantwortung und Mitverantwortung.

3. Die neue Suche nach Heimat

Und noch etwas Spannendes lässt sich entdecken bei der Lektüre des 3. Freiwilligensurveys: es gibt eine neue Suche nach Heimat. Der öffentliche Raum, die Nachbarschaft, der Stadtteil, das Dorf wird wieder wichtiger, denn die gestiegene Mobilität dünnt die familiären Netze vor Ort aus. Die Unterstützungsleistung im engeren Umfeld sind in den letzten 10 Jahren von 74% auf 64% gesunken. Private Kontaktnetzen und Freundeskreise vor Ort werden schwächer. Das ist ein wichtiger Grund dafür, dass eben auch Neuzugezogene sich in der Nachbarschaft engagieren, in Elterninitiativen mitmachen oder sogar neue Vereine gründen.

Die Familienzeitschrift „nido“ wie Nest erzählt in einer ihrer Titelgeschichten, wie junge Eltern Stadtteilpolitik machen. Wer kleine Kinder hat, sucht nach haltenden Nachbarschaften und Menschen, die unkompliziert bereit sind, gemeinsame Interessen wahrzunehmen. Aber auch, wer älter wird, sucht einen Platz, an dem er nicht vereinsamt, wo kulturelle und soziale Angebote nahe liegen, wo der Kontakt zu anderen Generationen erhalten bleibt. Letztlich sucht jeder von uns einen Ort, wo die eigenen Fähigkeiten und Begabungen zum Tragen kommen können. Wo man uns wiedererkennt, wo wir Menschen treffen, mit denen wir uns verständigen können, ohne immer wieder von vorn anzufangen. Wir wünschen uns einen Lebensraum, dessen Rhythmen und Symbole wir uns erschlossen haben. Eine Nachbarschaft, in der man einander hilft. Eine Stammkneipe, wo man uns begrüßt. Heimat. Was allen in die Kindheit scheint und wo noch keiner war, wie Ernst Bloch es ausgedrückt hat. Wie stark diese Suche ist, dass sieht man daran, wo sich heute zivilgesellschaftliche Bündnisse festmachen: Gorleben, Hamburg, Stuttgart 21 – das sind Bürgerbewegungen, die sich an einem Ort kristallisieren.

Von einer Spaltung der Gesellschaft ist in jüngster Zeit immer häufiger die Rede – nicht nur im Blick auf die zunehmende Spreizung der Einkommen, die Trennung in Bildungsgewinner und Bildungsverlierer, sondern auch im Blick auf unterschiedliche ethnische Gruppen, Migranten und Autochthone. Während die Anforderungen an Mobilität wachsen, nimmt zugleich die Bedeutung der Herkunft zu. Schichtzugehörigkeit und ethnisches Herkommen bestimmen in Deutschland nach wie vor den Bildungserfolg, die gesundheitliche Versorgung, den gesellschaftlichen Aufstieg. Längst können wir auf Karten verfolgen, wie die soziale Segmentierung sich ausweitet. Auch zum Ehrenamt finden bisher vor allem diejenigen einen Zugang, die finanziell abgesichert, gebildet und familiär gebunden sind. Denn Ehrenamt scheint in gewisser Weise voraus zu setzen, was es schafft: einen gewissen finanziellen Rückhalt, soziale Netze und Kompetenzen.

Die Förderung „der sozialen und kulturellen Netzwerke“ im Stadtteil ist inzwischen auch Thema der Stadtentwicklung geworden. So spricht die „Leipzig-Charta“ von 2007 von „integrierter Stadtentwicklung“ – hin zur nachhaltigen europäischen Stadt. „Wie müssen die Institutionen beschaffen sein“, fragen die Stadtplaner, „damit sie es den in ihnen lebenden Individuen ermöglichen, sich – als Handelnde – mit ihnen zu identifizieren? Wie sehen soziale Institutionen aus, die man als ´Verkörperung´ von Freiheit verstehen könnte?“ Heimat in einer mobilen Welt, das wird darin deutlich, müssen wir  gemeinsam schaffen. Wer anderen in diesem Sinne Heimat geben will, eine offene Herberge, der muss sich allerdings zunächst selbst als Teil des Gemeinwesens erleben – das unterscheidet Kirchengemeinden nicht von Schulen und Betrieben, Sportvereinen und Einzelhandelsgeschäften.

4. Ehrenamt ist „Empowerment“

Ein wichtiger Gewinn ehrenamtlicher Arbeit besteht in Beziehungen und Kompetenzerweiterung. Über das Ehrenamt werden neue Netze geknüpft, entstehen neue Zugangsqualifikatione. Damit hilft ehrenamtliches Engagement, Übergänge zu gestalten – von der Jugendarbeit in den Beruf, von der Erwerbsarbeit in die Familienphase und wieder zurück, später dann in die dritte Lebensphase. Seitenwechsel zwischen beruflicher und ehrenamtlicher Tätigkeiten werden immer normaler. Ehrenamtliche verstehen sich heute eben nicht mehr als „Helfer von Wohlfahrtsorganisationen“; sie wollen sich professionell und effektiv einbringen. Viele von ihnen sind selbst berufstätig: Und immer häufiger beendet ihre berufliche Mobilität ein lieb gewordenes Engagement – aber die Bereitschaft, sich immer wieder neu zu engagieren, wächst. Wer einmal gute Erfahrungen gemacht hat, wer seine Gaben und Kompetenzen einbringen konnte, der bleibt dran.

Dazu braucht es Freiraum für eigene Gestaltungsmöglichkeiten und für ein zugleich sinnvolles, wie selbstbewusstes Tun, das in der Erwerbsarbeit ja so oft vermisst wird. Vereine und Verbände, die häufig noch eher auf ein langfristiges Engagement ausgerichtet sind, werden sich auf diese Veränderung einstellen müssen. Und auch darauf, dass es für die neuen Ehrenamtlichen sehr wichtig ist, ihre Zeit und ihren Einsatz planen zu können. Es braucht also eine neue Klarheit der Rollen und Strukturen, der Ziele und Methoden von Ehrenamtsorganisationen. Dabei müssen die Selbstorganisation der Ehrenamtlichen, ihre Beteiligung, Vernetzung und Nachhaltigkeit gewollt sein und gefördert werden. „Empowerment“ heißt das neue Zauberwort. Wir müssen uns darüber klar sein, dass bürgerschaftliches Engagement letztlich immer Institutionen- und Einrichtungsübergreifen ist. Der Freiwilligensurvey zeigt: die einzelnen Engagierten, sind in der Regel in mehreren Organisationen aktiv: in Schule und Sportverein, in Kirche und Nachbarschaft. Sie „gehören“ keiner Organisation – im Gegenteil: sie sind es, die den Kern aller Wohlfahrt bilden. Ehrenamtliche sind Mahner und Wächter, wo neue Problemlagen auftauchen, bürokratische Hemmnisse die Hilfe erschweren oder die fortschreitende Ökonomisierung die Schwächsten allein lässt. So wächst die Zahl der Engagierten in der Tafelbewegung stetig, und auch in der Hospizbewegung sind immerhin 80.000 Bürgerinnen und Bürger aktiv.

Immer häufiger surfen sie auch  im Internet, um einen guten Ort für ihr Engagement zu finden oder sich mit anderen zusammen zu tun. Ganz selbstverständlich erwarten viele Fortbildungsangebote und Kostenerstattung, wenn sie sich in einer Organisation engagieren. Und auch Firmen und Unternehmen haben eine neue Rolle als Initiatoren und Unterstützer ehrenamtlichen Engagements. Und damit es gelingt, Menschen zu erreichen, die sich noch nicht engagieren, braucht es auch neue Wege. Freiwilligenagenturen, Seniorenbüros oder auch betriebliche Programme. Es braucht Ehrenamtsmessen und Ehrenamtstage.

5. Halt und Orientierung

Johann Hinrich Wichern, der sich dafür einsetzte, dass die Kirche seiner Zeit aus einer „obrigkeitlichen Anstalt“ zur geschwisterlichen Gemeinschaft wurde, sah die wichtigsten Potenziale zur Veränderung in Verbänden, Stiftungen und Vereinen. „Netzwerke der Liebe“ nannte er sie. Wichern wollte endlich ernst machen mit dem „Priestertum aller“. Jeder sollte seine eigene Berufung finden, die eigenen Gaben entdecken und einsetzen und damit der Gemeinschaft zu dienen – gleich, ob beruflich oder eben im freiwilligen Engagement, gleich ob in der Kirche oder in der Gesellschaft. Genau darum geht es auch, wenn wir heute von der Bürgergesellschaft reden- wir wollen ernst machen mit der Verantwortung und dem Engagement aller. Die EKD-Synode zum Ehrenamt von 2009 hat diesen Impuls aufgenommen: „Ehrenamtliches Engagement ist ein zentraler Ausdruck des Glaubens“ heißt es in der Kundgebung der Synode und es ist „unersetzlich für den Zusammenhalt einer Gesellschaft. Gerade ein sich immer stärker ausdifferenzierendes und individualisierendes Gemeinwesen ist auf dieses Engagement angewiesen. Soziale Netzwerke geben Menschen Halt und Orientierung.“

Genau daran arbeiten auch Sie mit. Und dafür möchte ich Ihnen heute im Namen der Evangelischen Kirche in Deutschland herzlich danken. Ich bin überzeugt, dass viele hier sind, die einen Preis von „Geben gibt“ verdient hätten. Vielleicht schlagen Sie das nächste Mal Ihren Nachbarn oder Ihre Nachbarin vor.

 

 

[1] Matth. 25, 31ff.