Gedanken zur Woche am 15.12.17
„Welcome to Jerusalem“ – die Ausstellung im jüdischen Museum Berlin ist eine Einladung in die Heilige Stadt: Jerusalem, das spirituelle Zentrum von Juden, Christen und Muslimen. Sehnsuchtsort und Kampfplatz zugleich. Denn Tempelberg und Klagemauer, Grabeskirche und Al Akza- Moschee liegen unmittelbar beieinander.
Jerusalem in Berlin – in der letzten Woche wurde das überraschend aktuell. Vor dem Brandenburger Tor wurde Dienstagabend die erste Kerze am großen Chanukka-Leuchter entzündet. Das jüdische Lichterfest erinnert an die Wiedereinweihung des Jerusalemer Tempels und erzählt, dass es Hoffnung wider alle Hoffnung gibt. Ganz in der Nähe aber wurde am Wochenende der Davidstern verbrannt. Junge Deutsche und Palästinenser, Araber, auch Türken brüllten antisemitische Parolen. Der Konflikt um die Nahostpolitik entlud sich in Hass. Wütende Reaktionen waren zu erwarten – nicht nur im Nahen Osten. Mit den Geflüchteten ist die Nahostpolitik längst bei uns angekommen. Umso wichtiger, dass wir eine Grenze setzen, wo sich hinter Israelkritik nackter Antisemitismus verbirgt.
Anlass war die Ankündigung des amerikanischen Präsidenten, die Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen. Damit bekennt sich Trump symbolisch zu Jerusalem als der Hauptstadt Israels. Der israelische Ministerpräsident Netanjahu hatte diese Woche keinen Erfolg damit, die Staaten der Europäischen Union für einen solchen Schritt zu gewinnen. Die EU verweist auf die Vereinten Nationen. Die haben sich 1947 für eine Zwei-Staaten-Lösung ausgesprochen und die Besetzung Ost-Jerusalems von 1967 nie anerkannt. Für die UN ist der endgültige Status der Stadt offen – für eine Verhandlungslösung zwischen Israelis und Palästinensern. Aber 50 Jahre Verhandlungen haben den Frieden nicht nähergebracht – im Gegenteil: die wachsenden israelischen Siedlungen werden nicht viel übrig lassen von einem Staat Palästina.
Ich bin erleichtert, dass keine dritte Intifada ausgebrochen ist. Der Palästinakonflikt ist ja längst nicht mehr der einzige im Nahen Osten, die gesamte Region zwischen Saudi-Arabien und dem Iran ist im Umbruch. Dass der türkische Präsident Erdogan jetzt seinerseits provoziert und die Konferenz der islamischen Staaten aufruft, Ostjerusalem als Hauptstadt Palästinas anzuerkennen, wird das Problem kaum lösen.
Manche sind der Meinung, Trump hätte Bewegung in die Sache gebracht. Helfen wird das wohl nur Trump selbst: Die Vertreter der evangelikalen Christen in den USA stehen hinter ihm – und damit wichtige Wähler und Spender. Ganz anders haben die Oberhäupter der Kirchen in Jerusalem selbst reagiert: die Patriarchen und Bischöfe der Armenier und Kopten, der griechischen und syrischen und der palästinensischen Christen. In einem offenen Brief an Trump schreiben sie: „Wir sind sicher, dass solche Schritte zu Hass, Konflikt, Gewalt und Leiden führen und bitten Sie, uns zu unterstützen auf dem Weg der Liebe und des Friedens.“ Nur als Stadt für alle kann Jerusalem Zukunft haben, sagen die Heads of Churches.
Und die Bibel sagt das auch. Sie erzählt vom neuen Jerusalem, der Stadt mit den offenen Toren. Gerade jetzt im Advent hoffen wir Christen auf Frieden und Versöhnung. Vielleicht ist auch das eine Hoffnung wider alle Hoffnung. Deshalb bewundere ich die Geduld der Christen in Jerusalem und ihre Bereitschaft, immer wieder Mauern zu überwinden. Das passt zum Advent. Denn für die Bibel ist klar: das neue Jerusalem kommt von Gott. Wir warten darauf, aber wir bauen sie nicht – ganz sicher nicht mit Gewalt. Aber wir dürfen uns darauf verlassen: das Dunkel wird heller. Ganz so wie beim Chanukka -Fest.
Cornelia Coenen-Marx