Brennende Themen. Ideen, Inspirationen und Projekte aus Kirche und Diakonie
THEMENÜBERSICHT IN DIESEM NEWSLETTER:
HIMMELSSTERNE IM ALLTAG ★ SOZIALE HERAUSFORDERUNGEN: POLITISCHE UND PERSÖNLICHE ANTWORTEN ★ ENGEL ÜBERALL ★ PAUSEN ★ SEELE UND SORGE IM WINTER ★ DAS GROSSE TÜRCHEN
Himmelssterne in unserem Alltag
Reiß den Himmel auf und hol die Sterne runter! Wer sehnt sich nicht nach Licht in den dunklen Wochen? Und wer hofft nicht auf Neuanfänge im Advent? Manchmal sehe ich kein Licht am Horizont für die, denen es doch versprochen ist: für die Wohnungslosen und Pflegebedürftigen zum Beispiel. Sie brauchten wirklich einen Stern, der ihren Namen trägt. Oder eben einen Wohnungsgipfel im Kanzleramt, wie es die Berliner Caritasdirektorin Ulrike Kostka neulich gefordert hat. Rund 860.000 Menschen waren im vergangenen Jahr obdachlos – im Vergleich zu 2014 ein Anstieg um etwa 150 Prozent. Und die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe rechnet für 2018 mit einem Anstieg auf 1,2 Millionen Menschen, die zu Weihnachten nicht mal ein Stalldach über dem Kopf haben. Mit der Ankunft von Geflüchteten, aber auch der Zuwanderung aus Osteuropa hat sich die Lage dramatisch verschärft. Doch strukturelle Probleme kommen hinzu: So ist der Sozialwohnungsbestand seit 1990 um etwa 60 Prozent gesunken, es fehlt an bezahlbaren Angeboten für Geringverdiener, für Alleinerziehende und Großfamilien. Die Not der Obdachlosen schreit zum Himmel – und sie macht auf ein Problem aufmerksam, das uns alle angeht. Die Berliner Stadtmission, die gemeinsam mit vielen Ehrenamtlichen Wohnungslose mit Essen, Waschgelegenheiten, Kleidern und Schlafsäcken versorgt, ist ein Beispiel, wie wenigstens einigen geholfen werden kann. Mit Spenden und eigenem Engagement kann man sie unterstützen.
Holt die Sterne runter – gesellschaftliche Herausforderungen angehen
In den Sondierungsgesprächen für eine Jamaika-Koalition gab es erste programmatische Antworten auf andere große Herausforderungen wie den Fachkräftemangel in der Pflege. „Wir haben jetzt schon einen Notstand – aber das ist nichts im Vergleich zu dem, was kommt“, hat der Bremer Gesundheitsökonom Heinz Rothgang kürzlich epd-sozial gesagt: „Wir erwarten, dass die Zahl der Pflegebedürftigen in den kommenden 30 Jahren von rund drei Millionen auf fünf Millionen Menschen steigt. Wenn wir vom heutigen Verhältnis der in der Pflege Beschäftigten zu den Pflegebedürftigen ausgehen, tut sich bis zum Jahr 2030 eine Lücke von 350.000 Vollzeitstellen auf.“ Es muss viel geschehen, um die Schönheit dieses Berufs wieder zum Leuchten zu bringen. Die neue Boombranche, die die Unternehmensberatung Roland Berger kommen sieht, muss im harten Wettbewerb um engagiertes Personal auch interessante Karrierewege anbieten – prekäre Dienstleistungsjobs sind nicht attraktiv, auch wenn diese Dienste mehr denn je gefragt ist. Letztlich wird es auch darum gehen, in jedem Beruf Arbeit und Leben besser zu vereinbaren – und dazu sind neue Strukturen in der Erwerbsarbeit notwendig. Laut Beschäftigtenbefragung der IG Metall 2017 fordern 84 Prozent der Befragten eine finanzielle Unterstützung für diejenigen, die wegen Kindererziehung, der Pflege von Angehörigen oder Bildung ihre Arbeitszeit reduzieren. 90 Prozent der Befragten halten das Rückkehrrecht von Teilzeit in Vollzeit für unbedingt erforderlich, damit eine Familienphase keine berufliche Sackgasse wird. Die große Mehrheit der Beschäftigten ist bislang auf persönliche Verabredungen angewiesen. Dabei ist Flexibilität auf beiden Seiten nötig. Noch schwieriger ist die Situation bei denen, die selbst bei ganztätiger Berufstätigkeit kaum von ihrem Einkommen leben können. Wer holt den Töchtern und Schwiegertöchtern die Sterne vom Himmel, die auf eigenes Einkommen und Karriere verzichten, um die kranke Mutter über Jahre zu pflegen? Und wer der Haushaltshilfe aus Polen, die Weihnachten nicht zu Hause mit ihren Kindern feiern kann? Wie immer sie aussehen wird – von der zukünftigen Regierung dürfen wir neue Initiativen in der Sozial- und Gesundheitspolitik, neue Rahmenbedingungen in der Beschäftigungspolitik erwarten. Unsere Wünsche im Advent sollten nicht zu klein sein und nicht zu privat! Die alten Adventlieder wollen den Himmel aufreißen und die Sterne runterholen. Die Sterne von Kiki Smith oben waren auf der Biennale in Venedig zu sehen. Was Kirche und Politik im Bereich der Pflege tun können, darum dreht sich auch meine Sendung zu den Barmherzigen Samariterinnen am 7. Januar um 8:35 bis 8.50 im Deutschlandfunk.
Engel überall
Denn es gibt sie, die Menschen, die anderen Sterne vom Himmel holen. Die Initiative Heute ein Engel der Stiftung Gute-Tat zum Beispiel. Den goldenen Internetpreis der Bundesarbeitsgemeinschaft Seniorenorganisationen (BAGSO) erhielt in diesem Jahr ein Netzwerkprojekt für Information und Interaktion unter Seniorinnen und Senioren im Berliner Märkischen Viertel. Am 5. Dezember ist Ehrenamtstag – und Nikolausabend. Es passt, dass an diesem Tag wieder der Deutsche Engagementpreis verliehen wird, um besondere ehrenamtliche Initiativen zu würdigen und auszuzeichnen. Schon jetzt sind viele großartige Projekte auf der Website zu entdecken. „Ich bin, weil wir sind. Wir sind, weil ich bin“ – der Titel des von Berend Hartnagel schon in zweiter Auflage herausgegebenen Buchs scheint mir die Essenz des Engagements auszudrücken, der Untertitel aber seine Universalität: „Ehrenamt und Freiwilligkeit in den Kulturen der Welt“ (bestellbar ist das Buch hier).
Pausen machen, Kraft schöpfen
Advent und Weihnachten bieten endlich auch Zeit für kreative Pausen. Auf ihrem neuen Pausenorteblog stellen Petra Schuseil und ihre Freundinnen Birgit Neubauer und Bianca Schimmel inspirierende Orte vor. Für mich sind auch die diakonischen Pilgerorte Räume, an denen ich besonders gut zu mir und wieder neu in die Welt finden kann; ich freue mich deshalb sehr über die Interviews im Kraftorte-Blog auf meiner Website, in denen AkteurInnen aus solchen Pilgerorten über diese Kräfte sprechen – aktuell Sigrid Pfäfflin vom Diakonissenmutterhaus Bremen. Als Kraftort für eine erholsame Essenspause in Berlin empfehle ich die Taqueria Milaa in Kreuzberg, wo Geflüchtete köstliches mexikanisches Essen zubereiten und servieren. Auf Reisen liebe ich das Hotel MutterHaus in Kaiserswerth genauso wie das Heimathaus und das Van-Delden-Haus im herrlichen Park des Diakoniegeländes in Berlin-Zehlendorf – und neuerdings auch das CFK-Hotel der Lebenshilfe in Spiesen im Saarland. Das CFK ist ein integratives Embrace-Hotel mit einem hohen Anteil Beschäftigter mit Behinderungen, wo ich im modernen Ambiente mitten im Grünen eine perfekte Tagungsatmosphäre für eine Führungskräftetagung der Führungsakademie Kirche und Diakonie (FAKD) fand. Guter Service, Fitnesscenter, ein besonderes Restaurant und ein freundliches, zuvorkommendes Miteinander. Es verändert das Denken, wenn die Gaben jedes Einzelnen wahrgenommen werden.
Leider begegnen viele Menschen mit Behinderung „Barrieren in den Köpfen der Arbeitgeber“, sagt Scorra, selbst sehbehindert und Rollstuhlfahrer, der die Gruppe Führungskräfte mit Behinderung gegründet hat. „In 80 Prozent der Vorstellungsgespräche geht es darum, was die Bewerber nicht können und nicht darum, was sie können. Qualifizierte Menschen bekommen keine Chance, obwohl sich jeder Arbeitsplatz verändern lässt – und das auch finanziell gefördert wird.“ Auch hier müssen wir über Strukturen reden. Noch immer zahlen die meisten Firmen lieber eine Abgabe, als die Quote von Beschäftigten mit Behinderungen zu erfüllen; die 550 Millionen, die so zusammenkommen, sind gutes Geld für Integrationsfirmen. Aber kaum ein Weg in den ersten Arbeitsmarkt. Zu reden ist deshalb auch über die Haltung: Gaben entdecken und Wege zur Unterstützung suchen – von der Sprachapp bis zum Schriftdolmetscher –, das hilft Steine wegzuräumen und Wege zu bereiten. Mich erinnert das auch an ein altes Adventslied: „Bereitet doch fein tüchtig den Weg dem großen Gast …“
Kreative Pausen im Advent, das können auch Konzerte und Ausstellungen oder die Vertiefung in ein gutes Buch sein. Im Belvedere in Wien ist die Ausstellung „Kraft des Alters“ zu sehen, die etwas von den vielen positiven Seiten des Älterwerdens vermittelt. „Älter werden“ hieß übrigens auch ein viel beachtetes persönlich gehaltenes Buch der kürzlich verstorbenen Schriftstellerin Silvia Bovenschen; sie fehlt schon jetzt mit ihren feinen Beobachtungen aus feministischer Perspektive und ihrer ehrlichen Auseinandersetzung auch mit der eigenen Krankheit. Ihr letztes Buch wird im Januar erscheinen. Der Titel „Lug und Trug und Rat und Streben“ lässt ahnen, dass wir noch einmal das Geistesfunkeln der Schriftstellerin spüren werden. Denkanstöße zum Thema Alter habe ich auch in dem Twitterbuch „Ran ans Alter“ von Lisa Frohn gefunden. „Wenn wir nicht allein bleiben und nicht nur privatisieren wollen, dann brauchen wir Räume, wo wir hingehen können. Um andere zu treffen. Um uns auszutauschen. Um gemeinsam etwas zu tun. Um uns als gesellschaftliche Wesen zu erleben“, schreibt sie. Das passt zu dem, was ich mit meiner eigenen Arbeit vermitteln möchte: Altern ist nicht nur ein demografisches Problem. Es liegt darin auch eine Chance, die Chance des persönlichen Aufbruchs, der auch gesellschaftlich Kräfte freisetzt. Mich ermutigen dabei die Beispiele aus der Bibel, etwa Sara und Abraham, denen Gott die Sterne vom Himmel holte, als er sie spät noch zu Eltern machte. „Noch einmal ist alles offen“ habe ich mein im April erschienenes Buch dazu genannt – vielleicht auch noch ein Weihnachtsgeschenk.
Seele und Sorge in diesem Winter
Von Impulsen zur Quartiersarbeit über die „Theologie des Alterns“, von Individualisierung bis zu Strukturen in den Kommunen reichen die Tagungen, Vorträge und Workshops, an denen ich in diesem Winter beteiligt bin: Bei den meisten steht das Thema Älterwerden im Zentrum. Quartiersarbeit in Tutzing, Theologie des Alterns in Kaiserswerth, Individualisierug und Milieus in Nürnberg, Demografischer Wandel in Recklinghausen, Kirchliche und kommunale Entwicklung in Emmendingen, Anders wachsen in Hannover mit einer Lesung aus „Noch einmal ist alles offen“. Und dabei lässt mich auch das Thema Familie („Die Segel richtig setzen“ Vortrag in Nürnberg) nicht los – so wenig wie die Entwicklung einer diakonischen Kirche. Ein Vortrag mit Lesung zu „Aufbrüche in Umbrüchen“ führt mich im Februar wieder ins Saarland, dazu auch ein Gottesdienst in der Johanneskirche in Saarbrücken. Virtuell bin ich ohnehin öfter dort: mit dem Lebenszeichen im Saarländischen Rundfunk. Nächstes Mal wieder am 13. Januar um 10:55 Uhr.
Sie finden meine Termine und Angebote zu diesen und anderen Themen wie immer auf meiner Website www.seele-und-sorge.de. Dort haben wir inzwischen auch eine Liste eingestellt, in der meine liebsten Links zu finden sind.
Zeit der Erwartung
Advent, das ist bei aller Geschäftigkeit doch vor allem die Zeit der Erwartung. In meiner Kindheit hatten wir einen Adventskalender, der als bergisches Fachwerkhaus gestaltet war. Ganz so wie das Haus in Neviges, in dem wir lebten: mit grüner Tür und Fensterläden. Wenn die Kerze in der Mitte angezündet war, leuchteten hinter den grünen Läden die Fenster: Da standen Bibelworte auf rotem Transparentpapier. Am ersten Advent dieses: „Siehe Dein König kommt zu Dir, ein Gerechter und ein Helfer.“ Das Adventshäuschen ist irgendwann verloren gegangen und ein bisschen vermisse ich es noch immer. Was mich daran so beeindruckt hat, war wohl das Gefühl, selbst in einem Adventshaus zu leben. Und die Entdeckung: Man muss die Fenster öffnen, um die Verheißung wahrzunehmen. Man muss auf die Menschen achten, die sich nach den Himmelssternen sehnen. Tag für Tag, bis die große Tür sich öffnet. Vielleicht inspiriert Sie auch einer der vielen schönen Adventskalender, die man online finden kann, wie beispielsweise der von Chrismon.
Weil in diesem Jahr der 24. Dezember wieder einmal auf den vierten Advent fällt, haben Rewe, Edeka und viele andere entschieden, ihre Türen geschlossen zu lassen. Ein wichtiger Schritt in einer Zeit, in der viele Bundesländer die Sonntagsöffnungszeiten ausweiten! So können auch die Verkäuferinnen und Verkäufer an diesem Heiligabend in Ruhe das letzte, große Türchen öffnen! „Hey, euch ist ein Kind geboren“, wirbt Edeka in den sozialen Medien für diese Aktion. Das ist der Spruch für den Heiligen Abend. Wie in den letzten Jahren predige ich zur Christmette um 23:00 Uhr in unserer Barockkirche in Osterwald und freue mich auf Orgel- und Trompetenbegleitung und all die jungen Leute, die zu Weihnachten nach Hause kommen und sich auf dem Kirchplatz beim Glühwein treffen. Vielleicht haben Sie Lust, am Weihnachtsabend einmal eine bisher unbekannte Kirche in ihrer Nähe zu entdecken? Hier erfahren Sie Orte und Termine der evangelischen Gottesdienste in der Weihnachtszeit und auch viele andere Veranstaltungen in den Kirchen Ihrer Umgebung.
Ich wünsche uns allen eine gesegnete Adventszeit, fröhliche Weihnachten und ein verheißungsvolles Jahr 2018
Cornelia Coenen-Marx, Pastorin und Autorin, OKR a. D.
Robert-Koch-Str. 113 d, 30826 Garbsen-Osterwald