THEMENÜBERSICHT IN DIESEM NEWSLETTER:
SORGENDE GEMEINSCHAFTEN ★ EHRENAMTLICHES ENGAGEMENT
DIAKONISCHE PILGERREISEN ★NEUES BUCH ZUM THEMA „AUFBRÜCHE“
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Gemeinwesendiakonie als innovative Kraft
Vor gut zwanzig Jahren forderte der Sozialpsychiater Klaus Dörner die Auflösung der Heime. „Ich will alt werden und sterben, wo ich gelebt habe“ – sein eingängiger Satz wurde paradigmatisch für einen neuen Umgang mit Alter, Pflegebedürftigkeit und Sterben. Was Einrichtungen und Verbände der Altenhilfe damals als heftige Provokation empfanden, haben vielen von ihnen seitdem äußerst innovativ umgesetzt: Mit betreutem Wohnen und Kurzzeitpflege, ambulanter Pflege und hauswirtschaftlichen Hilfen, aber auch mit Cafés und vielfältigen Kooperationen haben sie sich immer mehr ins Quartier geöffnet. Heute sollen die notwendigen Dienstleistungen zu den Menschen kommen – nicht länger umgekehrt. Niemand soll in ein Heim gehen müssen, nur weil er oder sie sich selbst nicht mehr versorgen kann. Auch in den Quartieren hat sich etwas getan: Stadtplanung, Architekturbüros und Wohnungsbaugesellschaften sorgen inzwischen dafür, dass in den neuen Wohnquartieren Rollatoren wie Kinderwagen über die Schwelle kommen. Sie alle machen ernst mit dem Gedanken, dass Altern, Krankheit und Behinderung zum Leben gehören und letztlich jeder Mensch in diese Situation geraten kann. Erst die Mauern der Abgrenzung trennen die Betroffenen vom „normalen“ Leben.
So überzeugend die Ideen und Konzepte sind, so schwierig ist oft die Umsetzung: Die Refinanzierungsstrukturen in unseren Sozialsystemen schaffen eigene Barrieren. Je nachdem, ob jemand vor allem behindert oder pflegebedürftig ist, alt oder krank, wird er oder sie von unterschiedlichen Dienstleistern versorgt und unterschiedlich untergebracht. Interessanterweise haben die Kirchengemeinden sich damals nicht provoziert gefühlt durch die Thesen von Klaus Dörner – vielleicht auch deswegen, weil sie Hilfebedürftige längst innerhalb ihrer Strukturen an die Diakonie delegiert hatten – aus Gründen der Professionalität, aber auch aus Refinanzierungsgründen. Die tradierte Trennung zwischen Mitgliedern der Kirche und „Kunden“ der Diakonie sortiert allerdings ganze Gruppen – je nach Hilfebedarf und Engagementmöglichkeit – in verschiedene „Schubladen“. Sich gemeinsam aufzumachen in Richtung Gemeinwesen bietet die Chance, die Sprachlosigkeit zu überwinden und endlich alle Menschen als Nachbarn und Mitbürgerinnen und je nachdem auch als Gemeindemitglieder wahrzunehmen.
www.wirsindnachbarn-alle.de zeigt Beispiele. |
Das bedeutet auch, unsere Mentalität zu ändern und die übliche Unterscheidung zwischen Gebenden und Nehmenden in Frage zu stellen. So sind gerade die engagierten Älteren gefragt, wenn es um neue Konzepte zwischen Zivilgesellschaft und Dienstleistern, zwischen Familien und Gemeinden im Quartier geht. Was sie einbringen, auch wenn sie vielleicht inzwischen langsam zu Fuß sind, ist neben möglicher praktischer Hilfe das kulturelle, geistige und geistliche Erbe, aus dem auch die nächsten Generationen noch leben. Ich denke an Mentorinnen und Mitarbeitende an Tafeln, Kirchenkuratorinnen und ehrenamtliche Kirchenpädagogen, an Menschen, die internationale Gärten pflegen und Ortsgeschichte schreiben, an Stifterinnen und Stifter – materiell wie immateriell gibt es ein reiches Erbe weiterzugeben. (In meinem Blog habe ich weiter über dieses Thema nachgedacht: wesentlich werden.)
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Sorgende Gemeinschaften und Ehrenamt im Fokus der Bundesregierung
Sorgende Gemeinschaften stehen im Zentrum des Siebten Altenberichts der Bundesregierung, den der Vorsitzende der Kommission, Prof. Dr. Andreas Kruse, im Oktober 2015 an die Familienministerin übergeben hat: „Sorge und Mitverantwortung in der Kommune – Aufbau und Sicherung zukunftsfähiger Gemeinschaften“ www.siebter-altenbericht.de. Ende April soll nun auch der Zweite Ehrenamtsbericht erscheinen, den eine Kommission unter Leitung von Prof. Dr. Thomas Klie im Auftrag der Bundesregierung erarbeitet. Hier geht es um Handlungsempfehlungen für eine nachhaltige Engagementpolitik in einer älter werdenden Gesellschaft. Der Titel: „Demografischer Wandel und bürgerschaftliches Engagement: Der Beitrag des Engagements zur lokalen Entwicklung“www.zweiterengagementbericht.de Welche Gruppen sind es, die sich freiwillig engagieren? In welchen Bereichen sind sie aktiv? Und was ist ihre Motivation? Im Sommer 2015 soll schließlich der aktuelle Bericht zum „Deutschen Freiwilligensurvey 2014“ erscheinen, der ebenfalls im Auftrag der Bundesregierung erstellt wurde. Das Projekt wurde von einem wissenschaftlichen und einem fachpolitischen Beirat begleitet, dessen Mitglied ich war; die Ergebnisse werden im Juni bei einer Fachtagung vorgestellt. www.dza.de/forschung/fws.html
Kirche und Diakonie haben viel beizutragen zu dem aktuellen Thema „Sorgende Gemeinschaften“. Christliche Gemeinden verstehen sich in besonderer Weise als Gemeinschaften – Gemeinschaften wechselseitiger Sorge und Teilhabe. Dabei spielt ehrenamtliches Engagement eine wichtige Rolle. Ich freue mich, dass zu Beginn des Jahres die Diskursplattform der EKD zur Entwicklung einer kirchlcihen Ehrenamtsstrategie gestartet ist www.evangelisch-ehrenamt.de.
Termine
In diesem Frühjahr und Sommer stehen die Themen Sorgende Gemeinschaften und Quartiersentwicklung genauso wie das Thema Engagementstrategie bei mir im Mittelpunkt vieler Vorträge und Seminare – so zum Beispiel am 19.April in Hamburg auf einer Veranstaltung zum Sieben Altenbericht der Bundesregierung und am 26. 4. In Frankfurt bei der Eröffnung der Ehrenamtsakademie. Weitere Informationen und Termine finden Sie hier.
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Pilgern: Alten Wegen folgen und den eigenen Weg entdecken
Schon seit einigen Jahren beschäftigt mich die Idee einer diakonischen Pilgerreise: geprägte Orte aufsuchen, aktuelle Herausforderungen besser verstehen und Modelle zu ihrer Bewältigung entdecken. Und dabei Energie tanken für den eigenen professionellen und spirituellen Weg. Von diesem Herbst an möchte ich die Idee zusammen mit Kooperationspartnern und einem Team von Referentinnen umsetzen. Auf Pilgerreisen zu traditionellen Orten der Diakonie und zu neuen Aufbrüchen in unserer Gesellschaft bearbeiten wir verschiedene Themenschwerpunkte. Die ersten Reiseziele und -themen sind das Hotel MutterHaus in Düsseldorf-Kaiserswerth und die Pflege in einer Zeit der Sozial- und Gesundheitswirtschaft, das Stephansstift in Hannover und die Chancen und Herausforderungen der älter werdenden Gesellschaft sowie das Gästehaus der Berliner Stadtmission und die Armutsentwicklung in derzeitigen Transformationsprozessen. Die Pilgerreisen sind für Führungskräfte in den verschiedenen Fachbereichen konzipiert und stehen für fachliche Fortbildung mit dem Fokus Strategie- und Personalentwicklung in Reflexion mit der eigenen Geschichte und in Auseinandersetzung mit inspirierenden neuen Modellen. Ganzheitlich spirituelle Erfahrungen und theologisches Nachdenken aus unterschiedlichen religiösen Perspektiven sind integrativer Bestandteil – die Sorge für andere und die Selbstsorge gehören eben eng zusammen!
Die Pilgerreisen werden in Kooperation mit der Führungsakademie für Kirche und Diakonie angeboten.
Für ausführliche Informationen hier der Link zum Flyer Diakonische Pilgerreisen.
Die Reisegruppen sollen nicht mehr als 15 Personen umfassen. Anmeldungen werden nach der Reihenfolge ihres Eingangs berücksichtigt. Ab Mai gibt es weitere Infomationen zu Ablauf und Anmeldung. Wenn Sie Interesse haben, schicken Sie uns eine kurze E-Mail an: office@seele-und-sorge.de, dann bekommen Sie diese Infos mit der Post.
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Im September erscheint in der Edition Ruprecht mein neues Buch:
Aufbrüche in Umbrüchen – Christsein und Kirche in der Transformation
Mein eigener Übergang von der Tätigkeit für die EKD in die Selbständigkeit war für mich der Anlass, das Thema Übergänge und Aufbrüche in einem weiteren Rahmen zu reflektieren. An den vielen unterschiedlichen Stationen meines Berufsweges innerhalb von Kirche und Diakonie hatte ich ausführlich Gelegenheit, zu beobachten, wie die rasanten Wandlungsprozesse, in denen sich unsere Gesellschaft befindet, sich auf das Leben der Einzelnen auswirken und wie sie auch die Kirche und die Diakonie selbst verändern. Stichworte sind beispielsweise der zunehmende wirtschaftliche Druck auf Städte und Kommunen wie auf die einzelnen Haushalte, die Gentrifizierung und Spaltung in den Städten, die Notwendigkeit von beruflicher Mobilität, fehlende Infrastruktur für Dienstleistungen in Pflege und Erziehung, die mangelnde Wertschätzung der Carearbeit in der Erwerbsgesellschaft und die daraus entstehenden Zerreißproben für die Familien, und natürlich auch die derzeitigen großen Flüchtlingsbewegungen.
Neben vielen Schwierigkeiten, die mit den gesellschaftlichen Transformationen einhergehen, habe ich in meiner Arbeit aber auch viele Aufbrüche gesehen und durfte hie und da daran teilhaben und mitgestalten, wo Einzelne und Gemeinden innovative Konzepte eines anderen Lebens zu verwirklichen suchen. Kirchliche Projekte und Reformprozesse, Organisations- und Personalentwicklungsprojekte in der Diakonie sowie Tagungen und Diskussionsprozesse zu den Themen der gesellschaftlichen Transformation haben mich immer wieder beschäftigt und mir neue Perspektiven eröffnet.
Mein Buch schaut aufs Ganze und auf die Einzelnen und handelt jeweils von beidem: Vom gesellschaftlichen Wandel – und von neuen Rollen, die Kirche und Diakonie darin spielen können. Von den Brüchen im einzelnen Leben – und von den neuen Wegen, die sich darin auftun können. So geht es um gesellschaftliche Analysen wie um soziale Modelle, um Szenen des Alltags und um die Möglichkeiten von Spiritualität. Es ist ein Buch der Sehnsucht und des Anpackens. Veränderungen, denke ich, gilt es aktiv zu gestalten: Aufbrüche in Umbrüchen. Die Bibel und die christlichen Traditionen, die grundlegenden Einsichten der Reformation, Kirche und Diakonie haben hier einiges zu bieten – umso mehr, wenn sie sich selbst immer wieder auf aktive Veränderung einlassen.
Momentan befinden wir uns in den letzten Korrekturdurchgängen. Im September wird das Buch bei Edition Ruprecht erscheinen, im Oktober wird es auf der Frankfurter Buchmesse vorgestellt. Schon jetzt vorbestellen können Sie es hier.
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In unregelmäßigen Abständen wird dieser Newsletter Sie drei- bis viermal im Jahr über Aktivitäten von Seele und Sorge informieren.
Ich freue mich auch über eine persönliche Nachricht:
coenen-marx@seele-und-sorge.de