Kraftorte: Interview mit Wolfgang Hirsch, Leiter der „Kontaktstelle Ehrenamt“ im Kirchenkreis Essen

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DIAKONISCHE PILGERREISEN: DER BLOG

Wir entdecken Diakonische Pilgerorte – 
diesmal auf der Spur von: Wolfgang Hirsch

„Diakonische Orte sind überall da, wo Menschen sich in ihrer Unterschiedlichkeit begegnen und sich gegenseitig ernst nehmen“, sagt Wolfgang Hirsch. Die Marktkirche in Essen wurde zu einem Ort der Begegnung unterschiedlichster Sichtweisen, als Menschen mit Behinderung im Rahmen von Ruhr.2010 dort als Kirchenwächter arbeiteten. Möglich wurde dies durch starkes ehrenamtliches Engagement.

Wolfgang Hirsch war bis zum Eintritt in den Ruhestand leitender Angestellter in der Wirtschaft. Als im Jahr 2004 der Kirchenkreis Essen die „Kontaktstelle Ehrenamt“ einrichtete, um das Ehrenamt auf Kirchenkreisebene stärker zu organisieren und zu strukturieren, wurde er mit der ehrenamtlichen Leitung dieser Einrichtung beauftragt, die er seither innehat. Im Jahr 2009 berief ihn der Kreissynodalvorstand als Mitglied der Synode für das Ehrenamt.


Sie beschäftigen sich beruflich und/oder ehrenamtlich mit Diakonie. Was liegt Ihnen dabei besonders am Herzen?
Mir liegt besonders das Thema „Ehrenamt in Verbindung mit Inklusion“ am Herzen.

Gibt es eine persönliche Erfahrung, die Ihnen den Kern diakonischer Arbeit existenziell vor Augen geführt hat?
Im Kulturhauptstadtjahr 2010 im Ruhrgebiet fanden in der zentralen Marktkirche in Essen Ausstellungen zum Thema „Menschenbilder“ statt. Dort organisierte ich zusammen mit einer Presbyterin den „Kirchenwächterdienst“. Unter den etwa neunzig Ehrenamtlichen befanden sich auch neunzehn Menschen mit einer geistigen Behinderung. Diese übten ihren Dienst jeweils im Tandem mit einem Nichtbehinderten aus.
Nach Ende des Kulturhauptstadtjahres wollten diese neunzehn Menschen weiter „Wächter“ sein. Ich konnte die Kulturwerkstatt ARKA auf dem Weltkulturerbe Zollverein für eine weitere Zusammenarbeit gewinnen. Bis heute sind einige Menschen mit Behinderung an den Wochenenden bei den Ausstellungen der ARKA engagiert. Einer von ihnen ist inzwischen zum Mitorganisator der Gruppe geworden.
Das Besondere ist, dass die Menschen von den Künstlerinnen und Künstlern vor jeder Vernissage ausführlich in die Werke eingeführt werden und dass abschließend auch ein Rückblick auf die beendete Ausstellung erfolgt. Hier werden die „Wächter“ mit ihren zum Teil ganz anderen Sichtweisen ernst genommen. Durch die ehrenamtlichen Einsätze ist auf beiden Seiten eine Vertrautheit gewachsen. Die Menschen mit Behinderung sind zu einem Teil der Künstlergruppe geworden.

An welchem Ort (in welcher Einrichtung, in welchem Haus oder Raum) ist Diakonie für Sie in besonderer Weise sichtbar und erfahrbar geworden und was hat Sie dort fasziniert?
Das ist für mich die Marktkirche, weil ich hier das eigenverantwortliche und partnerschaftliche Miteinander erleben durfte. Für die Kirchenwächter war es ein besonderer Raum, weil sie hier als Gleichberechtigte wahrgenommen wurden und nicht ihre Behinderungen im Vordergrund standen. Sie kamen in Gespräche mit den Ausstellungsbesucherinnen und -besuchern und konnten ihre Deutung der Bilder weitergeben, die vielleicht von gewohnten Betrachtungen abwichen. Dadurch wurden die Besucherinnen und Besucher zu einem neuen, anderen Blick auf die Kunstwerke angeregt.

Und sonst? Haben Sie weitere Gedanken, Anmerkungen, Anregungen zur Bedeutung – und vielleicht auch zur Relativierung – diakonischer Orte?
Aus der gewonnenen Erfahrung heraus hat sich inzwischen auch eine Zusammenarbeit mit der Bahnhofsmission Essen als Pilotprojekt entwickelt. Dort arbeiten vier Menschen mit einer Behinderung in Tandems mit.
Diakonische Orte sind überall da, wo Menschen sich in ihrer Unterschiedlichkeit begegnen und sich gegenseitig ernst nehmen. Wo eine Behinderung nicht ausschließt, sondern als Normalität erlebt wird.
Mit einem der Menschen mit einer geistigen Behinderung und seinem Freund hat sich eine schöne Freundschaft entwickelt.

Vielen Dank!

www.aktion-menschenstadt.de

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