Passagen: Ich liebe Übergänge

Wandel

Ich liebe Übergänge. Sie wecken in mir das Gefühl von Freiheit, Neugier und Abenteuerlust. Der Umzug mit dem vollgepackten Möbelwagen, der Transitbereich im Flughafen, die Zeit zwischen den Jahren. Dabei denke ich an eine Fährfahrt. Bei einem Arbeitsplatzwechsel vor einigen Jahren machte ich eine Woche Inselurlaub, um Abschied und Neuanfang bewusst wahrzunehmen. Die Fahrt war kurz, aber sie wurde für mich zum Symbol des Wechsels. Ich konnte beobachten, wie das alte Ufer hinter mir zurückblieb und das Neue ganz allmählich Gestalt annahm. Und dazwischen die Fahrt auf dem grenzenlosen Meer. Für mich ist es nicht so sehr der Anfang, dem der Zauber innewohnt, wie es bei Hermann Hesse heißt, sondern die Passage. Ein Jahr, ein Arbeitsplatz, ein Wohnort liegt hinter mir – und nie sehe ich das Alte, das ich verlasse, so klar wie in diesem Moment: kenntnisreich und dankbar, aber ohne Illusionen.

Wir brauchen solche Übergangszeiten, um eine alte Identifikation zu lösen, Gewohnheiten zu verändern, ins Unbekannte aufzubrechen und uns neu zu „erfinden“. Dabei hängt viel von unseren Träumen, von unserer Hoffnung ab. Wie viel ungelebtes Leben wartet noch auf Gestaltung? In dem Augenblick, in dem wir die Komfortzone verlassen und unserer Sehnsucht folgen, beginne die wahre Glaubensreise, schreibt Richard Rohr. Dabei gehe es darum, das Geheimnis des Lebens zu lernen. Das bedeute immer auch, seine andere Seite anzunehmen: das Geheimnis des Todes und des Zweifels.[1] So sehr ich das Abenteuer der Passagen liebe, so gut weiß ich: Auch Angst und Verlustgefühle gehören dazu.

Gerade erlebe ich wieder einen solchen Veränderungsprozess: Ich habe mich entschieden, meinen spannenden Arbeitsplatz in der EKD zu verlassen, um die Zeit- und Arbeitsrhythmen zu verändern und aus meinen in mehr als dreißig Berufsjahren gesammelten Erfahrungen und Kompetenzen eigene Angebote zu gestalten. Ich spüre tatsächlich einige Wehmut und auch Unruhe bei diesem Schritt. Aber vor allem kribbelt in mir die Freude, nun noch einmal etwas Neues anzupacken und Menschen in sozialen Organisationen, in Kirche und Zivilgesellschaft zu unterstützen, denen es wie mir darum geht, mit profiliertem Engagement und guter Zusammenarbeit etwas zu bewegen.

Dabei vertraue ich auf die Kraft von Spiritualität und auf eine Einsicht, die mir mein Glaube schenkt und die sich schon durch viele Erfahrungen bestätigt hat: Die Umbrüche und Veränderungen, die wir erfahren – als Einzelne, aber auch in unseren sozialen Zusammenhängen, in der Familie oder einer Stadt, im Unternehmen oder in einer ganzen Gesellschaft –, müssen keine Bedrohung unserer Identität sein. Im Gegenteil: Wenn wir den Augenblick erkennen, der uns herausfordert, wenn wir zum Aufbruch bereit sind, liegt darin die Chance, verschüttete Wünsche wieder zu spüren, ungekannte Fähigkeiten zu entdecken, neue Beziehungen zu knüpfen, vielleicht auch Beziehungen anders zu leben – und in all dem unserer Berufung näher zu kommen. Deshalb liebe ich nicht nur die Passagen; ich liebe es auch, andere in Übergangssituationen zu begleiten und sie darin zu unterstützen, ihre Potenziale neu zu entdecken und zu nutzen. Hier auf www.seele-und-sorge.de finden Sie von nun an meine Angebote dazu. Ich freue mich auf Ihre Geschichten, Erfahrungen und Herausforderungen und darauf, bei Ihren Passagen mit auf der Fähre zu stehen.

 

[1] Richard Rohr: Reifes Leben. Eine spirituelle Reise, Freiburg, Herder: 2014, S. 154.