Wer sorgt, gewinnt: Die Potenziale Sorgender Gemeinschaften weiter heben!

Potsdam, 28.10.19

1. „Wo das Herz wohnt“: Die Sehnsucht nach Heimat

Was da im Staub verschwindet, ist der Immerather Dom. Ein Video auf Facebook hat mich nochmal hingebracht, in meine erste Gemeinde. Nach Immerath, in das alte Krankenhaus, wo ich als Pfarrerin die Kranken aus Keyenberg, Unterwestrich oder Oberwestrich besuchte.  Die Garzweiler-Dörfer am Rand des Braunkohletagebaus sind inzwischen umgesiedelt, vorübergehend leben Geflüchtete dort. Die Initiative „Alle Dörfer bleiben“ kommt zu spät für die Dorfbewohner. Die wissen längst: Heimat ist mehr als eine Sammlung von Eigenheimen – und seien sie noch so schön. Heimat, das sind Schule, Kneipe und Arztpraxis, engagierte Geschäftsleute, ein reges Vereinsleben. Das sind Traditionen, Überzeugungen, Menschen, die den Geist eines Ortes über Jahrzehnte, ja über Jahrhunderte geprägt haben. Je mobiler die Gesellschaft, je mehr Optionen und Lebensstile, desto grösser wird die Sehnsucht nach diesem Ort, in dem wir uns selbstverständlich bewegen , weil wir dazugehören. Und die Kirche gehört auch dazu.Sie bleibt ein markanter Orientierungspunkt, auf dem Land oft kilometerweit sichtbar. In Zeiten der Verunsicherung richten sich Hoffnungen und Erwartungen, aber auch Wut und Verzweiflung darauf.  Das erklärt auch die Empörung im Netz, als die Kirche von Immerath abgerissen wurde – eigentlich kein Dom, sondern eine neogotische Kirche wie es viele am Niederrhein gibt. Sie wurde zum Symbol wie die Kirche in der Lausitz, die über Kilometer versetzt wurde, um sie zu retten.

Meine erste Erfahrung mit Wutbürgern habe ich gemacht, als ich vor fünfundzwanzig Jahren mit einer kirchlichen Reformgruppe den Osten Londons besucht habe – eine heruntergekommene Hafengegend mit internationaler Bürgerschaft, wo der Bischof von London eine Kirche aufgegeben hatte. Dort begegneten wir einer verzweifelten Bürgerinitiative. Die meisten wohnten gar nicht mehr dort, aber sie waren in dieser Kirche getauft oder getraut worden; sie hatten dort eine Erfahrung von Zugehörigkeit und Würde gemacht. So etwas gibt man nicht auf.Wir kennen das von den Kirchenkuratorinnen und Orgelpaten, die bei uns dafür sorgen, dass Dorfkirchen in Brandenburg, in Mitteldeutschland oder auch am Rand des Ruhrgebiets saniert werden – die Veranstaltungen planen und Kirchen offen halten, auch wenn sie selbst gar nicht Mitglied sind oder längst anderswo wohnen. Aber auch bei uns werden Kirchen  geschlossen, aufgegeben, verkauft oder umgewidmet – zu Synagogen oder Moscheen, zu Restaurants, Museen oder Kletterhallen. Und manchmal, wenn es gut geht, werden daraus Nachbarschaftszentren, Begegnungsorte, die Heimat geben. Für die, die dort wohnen, für die, die neu dazu kommen und auch für die Heimatverbundenen, die längst anderswo wohnen. Eine Gemeinde in Mecklenburg hat ehemalige Bürgerinnen und Bürger aus der ganzen Republik zur silbernen Konfirmation eingeladen. Frauen und Männer, die längst weggezogen waren – der Arbeit nach, in den Westen. Auf ein langes Wochenende mit Besuchen, Besichtigungen und Begegnungen, mit gemeinsamem Essen, Gesprächsrunden und einem Gottesdienst. Und viele sind gekommen.

2. Schaut hin:  Den Perspektivwechsel einüben

Das ist das Motto des ökumenischen Kirchentages 2021- und es passt in unsere Zeit. Denn es braucht keine Braunkohlebagger, um Menschen den Heimatboden unter den Füßen weg zu ziehen; Globalisierung und sozialer Wandel genügen. Und die Idylle eines schön renovierten Marktplatzes kann trügen. Dass Familien, möglicherweise sogar mit mehreren Generationen, an einem Ort wohnen, ist schon lange keine Normalität mehr. Junge Leute ziehen in die prosperierenden Regionen; zurück bleiben die Älteren, weniger Beweglichen- häufig mit Wohneigentum, das sich in schrumpfenden Regionen kaum verkaufen lässt. Viele  Paare kennen Lebensphasen, in denen sie aus beruflichen Gründen über lange Zeit getrennt wohnen. Wo bereits Kinder in der Familie leben, sind es dann häufig die Mütter, die bleiben. Der Soziologe Eric Klinenberg spricht von der Versingelung der westlichen Gesellschaften. Er kommt zu dem Schluss, dass Alleinleben der beste Weg ist, die Werte einer individualistischen Gesellschaft zu leben: Freiheit und Selbstverwirklichung. Aber das hat eben auch eine Schattenseite: Menschen, die häufig umziehen oder auch pendeln, verlieren die alltägliche soziale Einbettung in Familie und Nachbarschaft. Und das ist nicht nur eine emotionale Herausforderung, obwohl viele Studien zeigen, dass die Einsamkeit zugenommen hat. Familien mit kleinen Kindern, auch alte oder kranke Menschen geraten bei der Bewältigung des Alltags besonders unter Druck, wenn sie nicht auf die selbstverständliche Hilfe von Angehörigen zurückgreifen können. Aber nur noch ein Viertel der erwachsenen Kinder lebt am Wohnort der Eltern. Und in der Generation „Babyboomer“ hat ein zu einem Drittel keine Kinder mehr. Zum ersten Mal in der Geschichte lebt die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger nicht mehr in Familien.

Aber  auch für die, die ihre Heimat nicht verlassen, verändert sich die Welt. Fremde ziehen zu – als Arbeitssuchende, Migranten oder Flüchtlinge. Geschäfte verschwinden, in der Kneipe wechselt die Speisekarte – wenn sie nicht längst geschlossen ist. Nachbarn sprechen eine andere Sprache. So kann die alte Heimat fremd werden – und damit das „Identifikationsgehäuse“, der Ort, wo wir uns geistig, emotional und kulturell zu Hause fühlen. Wo zudem die Arbeitslosigkeit hoch ist, wo viele leben, die von Transfereinkommen abhängen, wächst die Angst vor dem Verlust des „Eigenen“ – des eigenen Arbeitsplatzes, der eigenen Kultur, der gewohnten Nachbarschaft. Wo Post und Sparkassen verschwunden sind, finden sich oft noch Kirchen. Aber viele stehen  halbleer– und die Nachbarn, die beobachten, wie Schulen und Krankenhäuser geschlossen oder Nahverkehrsstrecken stillgelegt werden, fragen sich, was daraus wird, wenn die Mitgliederzahlen weiter sinken.

Vor einiger Zeit hat Bertelsmann eine Karte der boomenden und schrumpfenden Regionen herausgegeben – sie zeigt das wachsende Gefälle, das inzwischen nicht nur zwischen gesellschaftlichen Gruppen, sondern auch zwischen Regionen, Städten und Stadtteilen zu erkennen ist. Wo die Wirtschaftskraft gering ist und viele Bürgerinnen und Bürger auf Transfereinkommen angewiesen ist der Bewegungsspielraum der Kommunen gering; Sozialausgaben belasten mit bis zu 58 Prozent des gesamten Haushalts. Viele sind kaum noch in der Lage, ihre Pflichtaufgaben in ausreichendem Maße zu erfüllen – geschweige denn, den wachsenden Erwartungen nachzukommen. Günstige Wohnungen werden gebraucht, Ganztags-Kitas und Schulen, möglichst angepasste Pflegeangebote und natürlich eine alternsgerechte Infrastruktur: Busse, Bänke, öffentliche Toiletten. Denn tatsächlich verschiebt sich  die Bevölkerungsentwicklung in Deutschland hin zu einer wachsenden Anzahl älterer, assistenz- bzw. pflegebedürftiger Menschen.

Die Orientierung an wettbewerblichen Strukturen in Kommunen und Wohlfahrtspflege verändert das Verhältnis zwischen Bürgern und Staat. In der Dienstleistungsgesellschaft werden alle zu Kunden. Das klingt nach Service und Bedarfsorientierung. Aber vielleicht zeigt sich da auch, dass die Angesprochenen nicht mehr als politische Subjekte wahrgenommen werden. Inzwischen gäbe es eine Art „heimatlosen Antikapitalismus“, der der Treiber der rechtspopulistischen Bewegungen sei, sagt Heinz Bude: Jugendliche ohne Ausbildung, Langzeitsarbeitslose, prekär Beschäftigte, Ältere mit geringen Renten, Menschen in schrumpfenden Regionen.-  „Gemeinsam ist ihnen, dass sie die Überzeugung gewonnen haben, dass es auf sie nicht mehr ankommt.“  Und wie ist es bei uns, in der Kirche? Managen wir die Probleme nur noch strukturell, machen wir marktgängige Angebote für bestimmte Zielgruppen – oder sehen wir Gemeindemitglieder zuerst als Getaufte, Menschen eben, die längst schon dazugehören?

Hinsehen ist der erste Schritt zur Veränderung – und das geht am besten, wenn wir die Nachbarschaft einmal aus der Perspektive der anderen sehen. Eine New Yorker Journalistin hat das getan. Ein ganzes Jahr lang hat sie jede Woche einen Stadtspaziergang mit einer fremden Person gemacht. Sie war unterwegs mit einer älteren Dame mit Rollator, mit einem Architekten und mit einem zweijährigen Kind. Sie hat einen Blinden begleitet und einen Arzt, der ihren Blick für die Entgegenkommenden schärfte. Es gehört nicht viel Phantasie dazu, sich vorzustellen, wie sie ihre Stadt neu entdeckt.

Eigentlich geht es um etwas ganz Einfaches: Den Blick für den Anderen zu entwickeln und angemessen auf das Gesehene reagieren. Wahrnehmen, wenn der Nachbar tagelang nicht vor die Tür gekommen ist. Ist er verreist? Oder im Krankenhaus? Braucht er Hilfe? Hinsehen, wenn die Nachbarin mit dem Einkauf kaum die Treppe herauf kommt. Kann ich ihr etwas mitbringen? Es geht um einen Perspektivwechsel. Die Ev. Kirche in Baden regt dazu in ihrem Projekt „Sorgende Gemeinde“ zu diesem Perspektivwechsel an. Aber auch in Nürnberg hat sich eine Kirchengemeinde auf den Weg gemacht und einen Stadtplan für Familien herausgegeben – da findet man die Tageseinrichtungen und Spielplätze, die Kinderärzte und die kinderfreundlichen Restaurants und auch die Gemeinden mit ihren Familiengottesdiensten und Winterspielplätzen. Und in meiner ehemaligen Gemeinde in Mönchengladbach haben die Älteren einen Stadtplan für Ältere erarbeitet – auch mit Blick auf Rollatoren und Rollstühle.

Wenn wir wollen, dass Kirche in Gang kommt, dann müssen wir selbst gehen“, heißt es beim Kirchenentwicklungsprojekt „Kirche geht“ in der Schweiz. Rausgehen. Den Blick öffnen für die Menschen und ihre Wohnräume vor Ort. Und das am besten gemeinsam. Immer wieder machen sich Menschen aus der Pfarrei auf den Weg, treffen andere im Viertel und schauen, was sie gemeinsam für ein gutes Leben vor Ort tun können. „Es geht nicht um volle Kirchenbänke. Es geht um das volle Leben. Und das findet sich eben auch vor der Kirchentür“, sagen sie.  Zusammenarbeit ist gefragt. Für Asylsuchende im Quartier. Für Menschen, die Gemeinschaft suchen. Für Leute, die etwas bewegen wollen, die Unterstützung brauchen, vielleicht auch nur einen Anstoß, sich in ihrem Lebensumfeld heimisch zu fühlen.

In der Innenstadt von St Louis in den USA hatte eine Kirche lange leer gestanden. Ein Abbruchviertel, eine Industriebrache- die Wirtschaft war weiter gezogen und wer es sich leisten konnte, wohnte jetzt am Stadtrand. Aber anders als dem Bischof von London war dieser amerikanischen Gemeinde nicht egal, was mit ihrer Kirche passierte – und wie es den Leuten in ihrem alten Quartier ging. Sie öffneten die Kirche für die neuen Nachbarn, meist Latinos und Farbige. Nun gab es Kinderbetreuung und Selbstverteidigungskurse, Drogenberatung und einen Mittagstisch – und immer noch Gottesdienste,  mit allen. Und die Kirchenbänke füllten sich!  So wie im Wiki, dem Wichlinghauser Gemeindezentrum in Wuppertal. Dort hat die Diakonie eine alte Kirche übernommen – mit Stadtteilarbeit, Jugendarbeit, Pflegeangeboten und Gemeindegruppen. Sie bilden hier einen Fachbereich des Diakonischen Werkes –und die Mitarbeitenden schauen hin und lesen das Viertel mit all ihrem Fachwissen. Und die Zusammenarbeit von Kirche und Diakonie macht das Wiki quicklebendig.

Besonders wichtig ist das Wohnviertel für Menschen, die sich keine großen Sprünge leisten können, für Familien mit kleinen Kindern, Migranten, Ältere. Heute leben mehr an die 45  Prozent der 70- bis 85-jährigen allein – meist können sie in Alltagsproblemen nicht auf Familie und Freunde zurückgreifen. „Die Hochbetagten, Dementen und Pflegebedürftigen sind von zunehmender Exklusion betroffen und brauchen Unterstützung, um auch weiterhin Teil der Gemeinde zu bleiben“, sagt Prof. Eckart Hammer aus dem Beirat des Projekts „Alter neu gestalten“ in Württemberg. Am anderen Ende der Generationenkette geht es kleinen Kindern und ihren Eltern ganz ähnlich. Deshalb brauchen wir Räume, wo unterschiedliche Generationen einander begegnen. Die Marktplätze, von denen die Propheten träumen: Wo Kinder spielen und die Alten Zukunft sehen!

Auf diesem Hintergrund wurde in den letzten Jahren die Quartiersarbeit entdeckt. Wo Menschen einkaufen, ihre Kinder zur Tageseinrichtung bringen, wo Schulen und Sportvereine ganz unterschiedliche Gruppen zusammenführen begegnen sich Bürgerinnen und Bürger noch immer ganz selbstverständlich. Und wo die Netzwerke funktionieren, da kann Neues entstehen: Unterstützungsnetzwerke für Menschen mit Behinderung, demenzfreundliche Kommunen und Frühfördernetze für Familien entstehen. Im Nachbarschaftsladen meiner Mönchengladbacher Gemeinde, wo die Tagesordnung der Stadt an Caféhaus-Tischen verhandelt wurde, habe ich zum ersten Mal gespürt: In der Gemeinde vor Ort manifestieren sich die aktuellen Probleme, aber genau dort finden sich auch Antworten auf die drängenden Bedürfnisse der Zeit. Das gelingt aber nur, wenn Städte und soziale Träger nicht nur auf den Einzelfall schauen, sondern auf den Lebensraum. Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. Wer bestimmte Zielgruppen unterstützen will – Demenzkranke, Menschen mit Behinderung, Pflegebedürftige oder Familien in Armut – der muss alle Akteure an Bord holen und die Angebote verknüpfen. Kommunen, soziale Dienste und die Wohnungswirtschaft, aber auch Verkehrsbetriebe und Einkaufszentren, Ärzte.

.„Ich will alt werden und sterben, wo ich gelebt habe“. Das hat der Sozialpsychiater  Klaus Dörners vor 25 Jahren gesagt. Und damit viele, vor allem die Heimträger provoziert, aber auch viel angestoßen. Dennoch: Seit Einführung der Pflegeversicherung ist der Trend zur stationären Pflege kaum abgemildert. Der prozentuale Anteil der Pflegebedürftigen in Heimen ist nur geringfügig gesunken; die absoluten Zahlen steigen angesichts des demographischen Wandels ohnehin. Es kann nicht sein, dass Menschen nur deswegen in stationäre Einrichtungen ziehen, weil die Wohnung nicht barrierearm ist  oder die Versorgung zu Hause nicht gewährleistet. Weil sie mit einer chronischen Erkrankung oder ihren Finanzen nicht mehr zurechtkommen oder weil die Wege zum Einkaufen nicht mehr zu bewältigen sind.  Stationäre Einrichtungen sind die teuerste Lösung. Und gerade auf dem Land sind sie oft kilometerweit entfernt von der alten Nachbarschaft. “Ein Zuhause ist der einzige Ort, wo die eigenen Prioritäten unbeschränkte Geltung haben“, schreibt Atul Gawande in seinem Buch „Sterblich sein“. „Zu Hause entscheidet man selbst, wie man seine Zeit verbringen will, wie man den zur Verfügung stehenden Platz aufteilt und wie man den eigenen Besitz verwaltet.“

Wenn wir wollen, dass wir auch im Alter möglichst lange in unserem Umfeld bleiben können, dann brauchen wir eine qualitativ gute und auch gut bezahlte ambulante Pflege, die Betroffene und Angehörige unterstützt – auch mit Pools von Haushaltshilfen und anderen Dienstleistern vom Einkauf bis zur Gartenarbeit. Präventive Hausbesuche gehören ebenfalls dazu. Gute Pflegeberatungsangebote sind nötig. Denn nach wie vor werden zwei Drittel der Pflegebedürftigen oder 1.5 Mio. Menschen in Deutschland von Angehörigen gepflegt. Die Schwiegertöchter, die die kranke Mutter über Jahre pflegen, die Männer, die ihre Frauen pflegen – sie verzichten auf eigenes Einkommen und Karriere und werden oft nicht gesehen. Neun Jahre dauert die häusliche Pflege im Durchschnitt. Und dabei steigt das Armutsrisiko erheblich.

Es ist kein Zufall, dass das Thema „Wohnen“ so viel Gewicht bekommen hat – das gilt ja gesamtgesellschaftlich im Blick auf verfügbaren Wohnraum und Mietpreisspiegel. Es gilt aber eben auch für die Wohnsituation von Älteren. Mehr noch als andere Gruppen sind ältere Menschen, Familien und Menschen mit Behinderung auf gemischte Wohnquartiere und barrierearme Wohnungen angewiesen. Inzwischen werden  ganz neue Wohnmodelle erprobt, Seniorenwohngemeinschaften, die vielleicht an studentische Erfahrungen erinnern, aber auch Mehrgenerationenhäuser, Genossenschaften und Demenz-WGs. Entscheidend ist, dass wir das hohe Alter nicht automatisch mit Hilfebedürftigkeit und Betreuung verknüpfen, sondern wechselseitige Hilfeleistungen und die Chancen des Zusammenlebens in den Mittelpunkt rücken.

In unserer Gesellschaft, die stark geprägt ist vom Wunsch nach Selbstbestimmung und Selbstoptierung, geht es um ein Gegengewicht: Um wechselseitige Unterstützung und die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen – für sich selbst, für andere und auch für die gesellschaftliche Entwicklung. Im letzten FWS wurde deshalb zum ersten Mal die informelle, außerfamiliale Unterstützung in Freundschaft und Nachbarschaft abgefragt, soweit sie eben unentgeltlich und außerhalb beruflicher Tätigkeiten erfolgt. Dabei zeigte sich: immerhin 25 Prozent engagieren sich in der nachbarschaftlichen Hilfe bei Einkäufen, Handwerksdiensten bis Kinderbetreuung – und es sind, bis auf die Unterstützung Pflegebedürftiger, mehr Männer als Frauen und eher Jüngere als Ältere. In der Befragung wird deutlich: Die wechselseitigen Unterstützungsleistungen verbessern die Lebensqualität aller Beteiligten. Dabei ist entscheidend, dass wir die Älteren nicht nur als Hilfebedürftige Objekte betrachten, sondern als soziale Subjekte wie alle anderen. Die Hochaltrigenstudie der Universität Heidelberg von 2013 zeigt: 80 Prozent interessieren und engagieren sich gern für die nächste und übernächste Generation, sie hüten Kinder, sind gern Leihoma, helfen bei Hausaufgaben oder stehen jungen Leuten mit Rat und Tat zu Seite. Die Entwicklung von Kommunen wie Marbach oder Neuisendorf zeigen: Wo Menschen wissen, dass die Großelterngeneration gut versorgt ist, ziehen auch Jüngere wieder zu.

Auf dem Marktplatz vor der Kirche in Rotenburg an der Fulda steht ein Bronzedenkmal, ein Frau in der Tracht der alten Gemeindeschwestern – Schwester Margarete aus dem Mutterhaus in Kassel. Mir fällt auf, dass sich noch immer Menschen nach der alten Gemeindeschwester zurücksehnen. Das Wittener Mutterhaus hat ein neues Modell entwickelt und Ärzte stellen digitale Gemeindeschwestern ein Ganz offenbar hat das damit zu tun, dass die Herausforderungen, vor denen wir stehen, in manchem denen des 19. Jahrhunderts ähneln- auch wenn die Menschen im Durchschnitt deutlich wohlhabender sind. In der Zeit der Industrialisierung brachen für viele Menschen die sozialen Zusammenhänge, die sie getragen hatten, zusammen. Die Schattenseite der neuen Produktivität waren Arbeitslosigkeit und Armut, Wohnungsnot, überforderte Familien und schließlich unversorgte Kranke und Sterbende. Hohe Mobilitätsanforderungen und das Gefühl der Beschleunigung  gehören auch heute zum Design unserer Gesellschaft genauso wie die Schattenseiten: mangelnde Vereinbarkeit, Familien, deren Mitglieder immer weiter entfernt voneinander leben, Pflegeprobleme. Wer über ein ausreichendes Einkommen und ein gut geknüpftes soziales Netz verfügt, wird den neuen Herausforderungen mit Gelassenheit begegnen. Viele allerdings fühlen sich allein gelassen und überfordert.

In den Nachbarschaften und Gemeinden  werden also Menschen gebraucht, die zupacken, Netzwerke knüpfen, Plattformen gründen und Räume öffnen, damit Bürgerinnen und Bürger einander gegenseitig helfen können. Diese„ Caring Communities“, die sorgenden Gemeinschaften, erinnern ein wenig an die Mutter- und Brüderhäuser des 19. Jahrhunderts, die große diakonische Gemeinschaftsbewegung. An die Gemeindeschwestern mit ihren Suppenküchen, Kindergärten, Strickstuben, die wir heute als Tafeln und Kleiderbörsen wiederfinden. Heute ist vieles sogar digital möglich: Das zeigt der Erfolg von Netzwerken wie nebenan.de. Aber es genügt nicht, eine Plattform zu installieren – weder digital noch analog. Untersuchungen von Martina Wegner aus München lassen erkennen, dass sich auf diese Weise immer nur die gleichen beteiligen: die hochengagierte Mittelschicht mit ihren eigenen Interessen.

Wenn wir die erreichen wollen, die ihre Rechte nicht selbstverständlich wahrnehmen, sind intermediäre Organisationen nötig: Schulen, Kirchen, Wohlfahrtsverbände, Parteien. Die meisten sind heute auf dem Rückzug. Und auch die Kommune ist gefragt. Am besten als Bürgeramt vor Ort. „Es kann nicht als selbstverständlich vorausgesetzt werden, dass die Selbstorganisation von Bürgern und Bürgerinnen, etwa in der organisierten Nachbarschaftshilfe, aber auch in Seniorengenossenschaften und in Bürgervereinen ohne Hilfe „von außen“ auskommt. Vielmehr benötigen solche Formen der Selbstorganisation in der Regel Anstöße, Förderung und Unterstützung auch durch die Kommune“, heißt es im 7. Altenbericht, der das Thema Sorgende Gemeinschaften aufnimmt. Als „Sparmodell“ ist die aktive Bürgergesellschaft nicht geeignet, auch wenn der Einsatz Ehrenamtlicher gesellschaftlich hoch willkommen ist. Inzwischen rechnen Hospizarbeit, Altenhilfe und ambulante Pflege mit diesen Diensten- von der Sterbebegleitung bis zu den Alltagsdiensten. Es gibt inzwischen eine Grauzone zwischen dem klassischen Ehrenamt und prekären Beschäftigungsverhältnissen mit Übungsleiterpauschale, Freiwilligendiensten und Minijobs. In der Nachbarschaftshilfe engagieren sich viele, die es sich nicht leisten könnten, nur für Ehre und Anerkennung zu arbeiten.

Sabine Pleschberger von der Universität Graz untersucht zurzeit informelle außerfamiliäre Hilfen in der Pflege. Dort zeigt sich: Es geht darum, berufliche und freiwillige Dienste so zu verknüpfen, dass die Dignität beider Dienste gewahrt bleibt.  Der soziale Nahraum, der sich durch individuelle Hilfen, durch  Nähe, Freiwilligkeit, Wechselseitigkeit auszeichnet, braucht die Ergänzung durch bedarfsorientierte, qualifizierte und organisierte Hilfesysteme und umgekehrt.Wenn wir Kommunen nicht nur als Wirtschaftsstandorte, sondern als Orte des guten Lebens begreifen wollen, dann braucht es soziale Investitionen in Wohnprojekte, Infrastruktur, Engagementförderung. Und eine vernetzte und abgestimmte Planung am runden Tisch der Kommune. Das ist der Grund, warum der 7.Altenbericht die kommunale Verantwortung in den Mittelpunkt rückt.

Und gleichzeitig gilt: Gute Orte, lebendige Nachbarschaften haben wesentlich mit zivilgesellschaftliches Engagement zu tun. Bei den „Sorgende Gemeinschaften“ geht es um Zugehörigkeit, gemeinsame Werte und Verantwortungsbeziehungen, wie wir sie aus Familien und Nachbarschaften oder Freundeskreisen und Gemeinden kennen Dabei spielen die sogenannten „jungen Alten“ eine besondere Rolle. Sie sind häufig lange am Ort, sozial und oft auch politisch engagiert und bringen breite Lebenserfahrungen und soziale Netze ein. Sie fahren Bürgerbusse, arbeiten in den Dorfläden mit und sind die Initiatoren der Sorgenden Gemeinschaften. Die Generation der 55- 69-jährigen engagiert sich im sozialen Ehrenamt und im lokalen Bürgerengagement. In Vereinen und Verbänden, aber zunehmend auch in Bürgerinitiativen und Genossenschaften.

Dabei geht es keinesfalls um selbstvergessenen Altruismus. Gerade die Älteren, die sich engagieren, tun das auch für sich selbst.   Wer sich engagiert, gewinnt zugleich neue Beziehungen und eigene Netzwerke, Lebensvertiefung und soziale Kompetenzen. „Es ist einfach notwendig, als Bürger da zu sein“, sagt Annelie Keil, die sich mit Henning Scherf zusammen seit Jahren für neue Wohnprojekte und Nachbarschaftsarbeit Älterer engagiert. „Zivilgesellschaftliches Engagement ist kein Nachtisch zu den Hauptmahlzeiten des Lebens nach dem Motto: Jetzt habe ich noch ein bisschen Zeit. Nein, die Notwendigkeit wird leibhaftig erlebt… Der Weg muss vom Einzelnen in die Gemeinschaft gehen. Und umgekehrt tue ich ja alles, was ich noch für die Gemeinschaft tue, im Wesentlichen für mich. Wenn ich als alleinlebende Frau nicht mehr hinausgehe, in meine Suppenküche oder zu einem Vortrag oder in die Schule, um mit den Kindern zu diskutieren, dann wird mein Leben ärmer“.

Wer allerdings von der Grundsicherung lebt und gesundheitlich eingeschränkt ist, hat meist viel fragilere Netze. Nicht nur das ökonomische, auch das Sozialkapital ist ungleich verteilt – Gesundheit, Bildung und Beziehungen haben auch mit den ökonomischen Ressourcen zu tun. „Eine Auseinandersetzung mit Sorgearrangements für ältere und mit älteren Menschen muss die Verschiedenheit der Lebenslagen und Bedarf berücksichtigen“, heißt es im letzten Altenbericht. Der geht davon aus, dass der Anteil derer, die ökonomisch, sozial und in der Folge häufig auch gesundheitlich benachteiligt sind, zukünftig „in erheblichem Maße“ ansteigen wird – dass also das Alter deutlich ungleicher wird.

Tischgemeinschaften haben Konjunktur. In vielen Kirchengemeinden treffen sich Ältere einmal die Woche; da wird gemeinsam eingekauft, reihum gekocht, Rezepte werden ausgetauscht und Geschichten erzählt. Und wenn jemand fehlt, fragt bestimmt eine andere nach. Anderswo öffnet die Cafeteria im Altenzentrum für die Kinder der nahegelegenen Tageseinrichtung. In Neukölln kochen Flüchtlinge für Obdachlose. In den interkulturellen Gärten bei uns in Garbsen  werden Gerichte aus fremden Heimaten serviert. Und in der Schweiz gehören 450 Gruppen zum Tavolata-Netzwerk der Migros- Stiftung. „Ich weiß nicht, was schöner ist“, sagt Erna Plüss vom Netzwerk, „gemeinsam zu planen, zu kochen, einzukaufen und Gäste zu bewirten oder sich als Gast an einen einladenden Tisch zu setzen und das Essen zu genießen.“

Der Austausch, der die Einsamkeit durchbricht, hält gesund; das hat kürzlich das Einsamkeitsministerium in Großbritannien nachgewiesen. 20 Prozent Gesundheitskosten können eingespart werden, wenn Menschen mit Menschen zusammen kommen. Gut, wenn die Kirchengemeinde Räume zur Verfügung stellen kann. Denn bei den über 70-jährigen ist der Anteil der Frauen, die den Führerschein besitzen, noch immer nicht so hoch wie in jüngeren Altersgruppen. Sie sind schnell in ihrem Bewegungsradius eingeschränkt, wenn der Auto fahrende Partner pflegebedürftig wird oder stirbt. Wenn wir älter werden und der Körper gebrechlicher, gewinnt auch der Raum an Bedeutung, der Nahbereich wird wichtiger. Inzwischen haben viele Kirchengemeinden erkannt, welchen Schatz ihre Räume darstellen: An vielen Orten gibt es  Erzählcafés und Biografiewerkstätten. In Hamburg-Eilbeck gibt es eine Sütterlinstube, wo Ältere für Übersetzungsdienste zur Verfügung stehen, anderswo entstehen Schmökerstuben bei Café und Musik in der Gemeindebücherei. Und in Gültlingen macht man mobil: Stadtspaziergänge mit Rollstuhl und Rollator beim Wägelestreff. In Kornwestheim ist sogar ein Begegnungscafé auf dem Friedhof entstanden- der Gemeindebus fährt zweimal die Woche hin.  Gemeinschaft, Austausch, Mobilität – das sind die wichtigsten Themen. Und dazu haben Gemeinden ein besonders Plus: Besuchsdienste. Städte haben inzwischen Besuchsdienste für dissozial Lebende, Pflegeeinrichtungen machen präventive  Hausbesuche. Hier könnte sich die Kirche mit ihren großen Traditionen einbringen ins Netzwerk:  Kirche kann die Geselligen und die Zurückgezogenen zusammen bringen. Und sie weiß, wie man Sterbende und Trauernde begleitet. Denn mit den Silver-Agern kommt nun auch die Hospizbewegung wieder ins Quartier – und oft genug sind Nachbarn und Angehörige überfordert. Da gilt es, die seelsorgliche Kompetenz wieder einzubringen – nicht nur in spezialisierte ambulante Palliativversorgung – und sich zu vernetzen mit Pflegeeinrichtungen und Hospizen. Den eigenen Platz zu finden im Miteinander der Organisationen.

Manchmal muss man dazu Neues wagen. In der evangelischen Kirchengemeinde Lindlar im Rheinisch-Bergischen Kreis entschied sich der Kirchenvorstand für einen radikalen Neuanfang. Viele Gemeindemitglieder waren älter geworden, sie brauchten Hilfe, um das Haus zu verlassen. Es fehlten alternsgerechte Wohnungen, Haushaltshilfen, aber auch ein Ort der Begegnung zwischen den Generationen. Die Kirche mit dem Gemeindehaus lag geradezu unerreichbar auf einem Hügel. So entschied sich der Kirchenvorstand, das Pfarrhaus abzureißen und einen Teil des Landes zu verkaufen. In Zusammenarbeit mit einer kirchlichen Wohnungsbaugenossenschaft wurden barrierefreie Wohnungen errichtet. Und von dem erzielten Gewinn wurde das Jubilate-Zentrum gebaut – ein Treffpunkt der Generationen. In das Wohnprojekt zog ein Pflegedienst ein und, das war der Clou des Ganzen, mit Hilfe des Kuratoriums Deutsche Altershilfe (KDA) wurde ein Aufzug hinunter in die Innenstadt gebaut, damit auch Ältere wieder die Chance hatten, gut zum Einkaufen zu kommen. Das Konzept hat nicht nur die Gemeinde neu belebt, es hat auch ihren Einfluss in der Kommune gestärkt, den sie nun für die Entwicklung zur alternsgerechten Stadt nutzt.

„Wenn wir nicht allein bleiben und nicht nur privatisieren wollen“, schreibt Lisa Frohn, in ihrem Twitter-Buch „Ran ans Alter“, dann brauchen wir Räume, wo wir hingehen können. Um andere zu treffen. Um uns auszutauschen. Um gemeinsam etwas zu tun. Um uns als gesellschaftliche Wesen zu erleben.“ Wenn Kirche zivilgesellschaftliche Bewegungen unterstützen will, dann ist es entscheidend, offen zu bleiben und auch die eigenen Räume zu öffnen. Für Engagierte wie für Suchende. In Gelsenkirchen-Hasselt hat die Kirchengemeinde einen Bürgerverein gegründet und das Gemeindehaus zum Bürgerzentrum ausgebaut. Das Bonni, wie die Konfirmanden das Dietrich-Bonhoeffer-Haus nannten. Die Gebäude und Liegenschaften, die oft nur noch als überdimensioniert wahrgenommen werden, sind tatsächlich ein Schatz für die Neugestaltung der Quartiere.

Viele, die sich heute in Sorgenden Gemeinschaften engagieren, sind keine Kirchenmitglieder. Das unterscheidet unsere Gesellschaft von der des 19. Jahrhunderts, als Fliedner die ersten Gemeindeschwestern losschickte. Aber ehrliche Begegnungen mit anderen Menschen und ein offenere Blick für Nöte öffnen auch heute für spirituelle Erfahrungen. Engagement öffnet Türen – zum Nächsten, zu den eigenen Verletzungen und Träumen, zur Frage nach dem Sinn. Der Dritte Sozialraum braucht Begegnungsorte. Am besten solche, die keiner Gruppe eindeutig zuzuschreiben sind, wo sich die Verschiedenen ohne Hierarchisierung begegnen und ihre Anliegen aushandeln können. Die Sozialwissenschaft redet von „Dritten Orten“ – sie sind leicht zugänglich und offen; die Teilnahme kostet nichts. Mit ihren Pfarrgärten und den aufgegebenen Pfarrhäusern, mit Kirchen und Nachbarschaftsläden können Gemeinde solche Orte bieten.

Gemeinden schauen wieder auf den Raum – auf die Häuser und Nachbarschaften, die Bauvorhaben und die Kommunen. Wenn die Bürgerinnen und Bürger bei der Planung Ausgangspunkt sind, dann werden Gemeinden sich nicht nur an Finanzstrategien orientieren, sondern an Aufgaben. Und ich kenne viele, die mit ihren frischen Ideen auch Drittmittelfonds entdeckt haben. „Wir handeln bedarfsorientiert“, sagt Peggy Mihan; sie hat sich in Cottbus für die Haltestelle der Herrnhuter Brüdergemeinde engagiert. Ihr geht es darum, den Blick von unten einzuüben, an der Seite der Nachbarn mit ihren Verletzungen und Lebensbrüchen. Erst einmal nur da sein und versuchen, heraus zu finden, was nötig sein könnte. In unserer fragmentierten Gesellschaft verlangt das vor allem die Bereitschaft, sich für Menschen aus ganz anderen Lebenswelten zu öffnen.

Und „je nach Situation, nach Ressourcen und Begabungen, nach Kräften und gesellschaftlichen Möglichkeiten können Kirche und Diakonie verschiedene Rollen einnehmen. Um es mit dem Bild einer Filmproduktion zu sagen: Sie können Produzent, Regisseur, Haupt – oder Nebendarsteller, manchmal vielleicht auch nur Komparse sein. Wichtig ist, dass sie in ihrer Motivation und ihrem Profil erkennbar bleiben.“  Entscheidend ist, dass Menschen in unserer Nähe zu sich selbst kommen und einen Ort finden, an dem sie zu Hause sind.

So wie in Filsum in Ostfriesland. Da betreibt die Gemeinde seit kurzem eine Fahrradpumpstation mit einem Fahrradflickzeugautomaten. Hintergrund ist die Tatsache, dass es in Filsum überhaupt keine Orte der Begegnung mehr  gibt. Aber Filsum liegt an der Fehnroute, eine große Zahl von Fahrradtouristen fährt durch den Ort. Die Pumpstation, verbunden mit einer Klönsnackbank, ist ein erster Anlaufpunkt für Einheimische und Touristen, um ins Gespräch zu kommen. Ein kleines Biotop mitten auf dem Land – aber es geht nicht um den eigenen, den kirchlichen Ziergarten, sondern um das gemeinsame WIR, wie Stephan Haas sagt.

„Wenn Kirchengemeinden das WIR auch wirklich als WIR sehen – wenn sie ihr Dorf oder ihren Stadtteil meinen – dann  ist ein erster Schritt getan“  sagt Peter Meißner von der Initiative Gemeinwesendiakonie. „Wenn Gemeinden andere Akteure einladen und mit ihnen in den Austausch gehen, wenn sie fragen, was braucht dieser Ort und wie sind unsere Wahrnehmungen, dann kommt etwas in Bewegung.Wenn Kirchengemeinden sich auf die Haltung „Nicht für sondern mit den Menschen“ einlassen, dann zeigen sie, dass sie wirklich an den Lebenslagen vor Ort interessiert sind“.  Und dass sie sich als Teil der Gemeinschaft am Ort begreifen. Das neue WIR ist inklusiv, zukunftsgewandt und manchmal überraschend wie das Reich Gottes.

Cornelia Coenen-Marx