Kraftorte: Interview mit Sigrid Pfäfflin, Oberin im Diakonissenmutterhaus Bremen

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DIAKONISCHE PILGERREISEN: DER BLOG

Wir entdecken Diakonische Pilgerorte – 
diesmal auf der Spur von: Sigrid Pfäfflin

„Dieses alte Symbol, der Weg nach innen über Wendungen und scheinbare Umwege, bietet die Möglichkeit, sich mit dem eigenen Weg auseinanderzusetzen. Wir erleben, wie hilfreich es ist, Kraftorte zu haben und immer wieder aufzusuchen. Es geht um die Frage nach der eigenen Mitte, nach dem, was mir heilig ist, um die Auseinandersetzung mit der Frage nach dem Sinn des Lebens.“

Sigrid Pfäfflin, verheiratet, Mutter dreier erwachsener Kinder und Großmutter dreier Enkelkinder, ist seit 1970 Diakonische Schwester in Sarepta in Bethel, wo sie auch die Ausbildung zur Krankenschwester machte. Sie arbeitete in der Behindertenarbeit, im Unterrichtsdienst und seit 1993 hauptamtlich in der Schwesternschaftsleitung. Seit 2009 ist sie Oberin im Diakonissenmutterhaus Bremen.


Sie beschäftigen sich beruflich und/oder ehrenamtlich mit Diakonie. Was liegt Ihnen dabei besonders am Herzen?
Mich bewegt vor allem die Situation der Mitarbeitenden im Sozial- und Gesundheitswesen. Sie arbeiten mit und für Menschen in Not- und Grenzsituationen. Besonders die in der Pflege Tätigen sind körperlich und emotional großen Belastungen ausgesetzt. Hierfür Kraftquellen zu erschließen durch Angebote der Bildung und der Gemeinschaft liegt mir besonders am Herzen. Nächstenliebe – Selbstsorge – Spiritualität, in diesem Dreiklang verstehen wir in Bremen unseren Auftrag im Rahmen der Fortbildungen und der Gemeinschaften.

Gibt es eine persönliche Erfahrung, die Ihnen den Kern diakonischer Arbeit existenziell vor Augen geführt hat?
Meine Ausbildung als Krankenschwester machte ich in Bethel/Bielefeld. Wir waren eine Gruppe von jungen Frauen und Männern aus unterschiedlichen gemeinschaftlichen Bezügen: Diakonenschüler, Diakonissen, diakonische Schwestern, Frauen und Männer, die keiner Gemeinschaft angehörten. Neben der fachlichen Ausbildung haben wir bei der Gestaltung von Diakonie-Gottesdiensten mitgewirkt, in Bethel, aber auch in Heimatorten unserer Mitschüler. Diese selbstverständliche Verbindung von Glaube und Dienst ist für mich selbst zu einer Kraftquelle geworden und zu einem Kern diakonischer Arbeit.

An welchem Ort (in welcher Einrichtung, in welchem Haus oder Raum) ist Diakonie für Sie in besonderer Weise sichtbar und erfahrbar geworden und was hat Sie dort fasziniert?
Das Gelände des Diakonissenmutterhauses in Bremen ist ein Park mit altem Baumbestand, in der Mitte ein Hügel, auf dem die Emmauskirche steht. Im äußeren Ring befinden sich das Altenpflegeheim, das Diakonissenmutterhaus, barrierefreie Wohnungen, ein Krankenhaus, ein Ärztehaus und die Kurzzeitpflege. Es gibt viele, die sagen: Das ist wie eine Oase. Dieser Gesamtort hat für mich eine besondere Faszination, finde ich doch hier diese Verbindung von Glaube und Tun wieder – und die Kirche ist dabei der Mittelpunkt. Das ist nicht ungewöhnlich für Diakonissenmutterhäuser, wiewohl der Arbeitsalltag anderen Gesetzen folgt als den Andachtszeiten der Mutterhausgemeinde. Und doch ist die Kirchenglocke dreimal am Tag zu hören und um zwölf Uhr beten die Schwestern: „Auf der Höhe des Tages halten wir inne. Lasset uns Herzen und Hände erheben zu Gott, der unseres Lebens Mitte ist.“ Die Namen der Bewohnerinnen und Bewohner sowie der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Geburtstag haben, werden verlesen und es wird für sie gebetet. Ich glaube daran, dass es so etwas wie eine Stellvertretung im Beten gibt und dass es „durchbetete“ Räume gibt. Und ich glaube, dass unser Gelände dazu gehört.

Was macht Ihrer Meinung nach einen – oder diesen – „diakonischen Ort“ zum spirituellen Kraftort (Geschichte, Gestaltung, Personen …)?
In der Vereinssatzung des Evangelischen Diakonissenmutterhauses Bremen e. V. steht der Satz: „Das Diakonissenmutterhaus ist eine Stätte der Sammlung und Sendung, Bildung und Weiterbildung für und Ausführung von diakonische/n Aufgaben.“ Vor einigen Jahren haben wir ein begehbares Rasenlabyrinth im Vorgarten der Kirche angelegt. Dieses alte Symbol, der Weg nach innen über Wendungen und scheinbare Umwege, bietet für Einzelne und für Gruppen die Möglichkeit, sich mit dem eigenen Weg auseinanderzusetzen. Bei Oasentagen, verschiedenen Fortbildungen, bei der Einführung neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter begehen wir das Labyrinth. Dabei wird thematisiert, wie hilfreich es ist, Kraftorte zu haben und immer wieder aufzusuchen. Da kommt es nicht darauf an, ob ich religiös bin oder welcher Religion ich angehöre. Es geht um die Frage nach der eigenen Mitte, nach dem, was mir heilig ist, um die Auseinandersetzung mit der Frage nach dem Sinn des Lebens. Der Weg im Labyrinth ist kein direkter, doch ich weiß, ich komme an, wenn ich dem Weg folge. Die Mitte ist aber nicht das Ziel, es ist ein Ort des Verweilens, bevor ich wieder den Weg nach außen antrete.

Was würden Sie in Ihrem Arbeitsumfeld räumlich ändern, wenn Sie die Freiheit und Mittel dazu hätten, damit die Arbeit, die Ihnen am Herzen liegt, noch besser gelingt?
Die Räume sind vorhanden. Es fehlt oft die Zeit, sie aufzusuchen. Ich denke an Kraftmomente, an Innehalten mitten im Tagwerk, wie kann das gehen? Wie lässt sich das einüben?

Und sonst? Haben Sie weitere Gedanken, Anmerkungen, Anregungen zur Bedeutung – und vielleicht auch zur Relativierung – diakonischer Orte?
Ich denke, dass Diakonissenmutterhäuser von ihrem Wesen her diakonische Orte sind, in denen „ora et labora“ gelebt wurde und wird. Beides in einer guten Balance zu halten, darin sehe ich eine besondere Herausforderung. Oder, um im Bild des Labyrinths zu bleiben: Es gilt immer wieder den Weg zur Mitte zu gehen und in der Mitte zu verweilen, aber sie darf nicht eine fromme Kuschelecke werden. Der Weg nach außen und das Bestehen des Alltags mit seinen Anforderungen, dahin sind wir gesandt. Sammlung und Sendung eben.

Vielen Dank!

 

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