Kraftorte: Interview mit Dipl.-Theologin Gabriele Oest, Oberin der Diakoniegemeinschaft des Henriettenstifts in der Diakovere-Stiftung in Hannover

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DIAKONISCHE PILGERREISEN: DER BLOG

Wir entdecken Diakonische Pilgerorte – 
diesmal auf der Spur von: Oberin Dipl.-Theologin Gabriele Oest

Die über 100 Jahre alte und denkmalgeschützte Hannah-Kapelle steht in Hannover-Kirchrode zwischen den Häusern des Altenzentrums Emmaus und Bethel an der Tiergartenstraße. Sie wurde aus Raseneisensteinen errichtet und anfangs als Totenkapelle genutzt. Heute ist sie ein beliebter Seminar- und Gruppenraum.

Dipl.-Theologin Gabriele Oest ist seit zweieinhalb Jahren Oberin der Diakoniegemeinschaft des Henriettenstifts in der Diakovere-Stiftung, in Hannover. Bis zum Jahresende 2016 war sie als Psychoonkologin im Brustzentrum des Unternehmens Diakovere gGmbH, Henriettenstift tätig.

Sie beschäftigen sich beruflich und/oder ehrenamtlich mit Diakonie. Was liegt Ihnen dabei besonders am Herzen?
Seit 15 Jahren arbeite ich in der Diakonie, anfangs als Krankenschwester in der ambulanten Pflege, später als Seelsorgerin im psychoonkologischen Bereich und jetzt als Oberin. In allen Arbeitsbereichen erlebe ich – trotz finanzieller und personeller Engpässe –, dass in der Diakonie immer der „bedürftige Mensch“ im Mittelpunkt steht. Mit Engagement und Kreativität werden Lösungen gesucht und gefunden, um die Not zu lindern und um zu helfen. Das motiviert zum Mitmachen! Es ist gut, in einer Einrichtung zu arbeiten, die trotz schwieriger Umstände versucht, das Wohl der Menschen im Blick zu behalten und den Auftrag wahrzunehmen, sich allen Menschen zuzuwenden, um damit Gottes Liebe und Barmherzigkeit sichtbar und erfahrbar werden zu lassen.

Gibt es eine persönliche Erfahrung, die Ihnen den Kern diakonischer Arbeit existenziell vor Augen geführt hat?
Ja, das war vor gut sechs Jahren, als mein Vater die letzten Wochen seines Lebens von der Diakoniestation in Hamburg versorgt wurde. Die innere Haltung – der verständnisvolle und liebevolle Umgang des Pflegepersonals mit dem Sterbenden und mit uns als Familie hat uns gut getan und gestärkt in den Tagen des Abschieds.

An welchem Ort (in welcher Einrichtung, in welchem Haus oder Raum) ist Diakonie für Sie in besonderer Weise sichtbar und erfahrbar geworden und was hat Sie dort fasziniert?
Für mich persönlich ist Diakonie in der Hannah-Kapelle sichtbar und erfahrbar geworden. Dort habe ich einen großen Teil meiner Arbeitszeit im psychoonkologischen Bereich verbracht: habe Seminare, Gesprächskreise, Onko-Frühstücke, Oasen- und Basteltage für Patientinnen des Brustzentrums gestaltet und angeboten; habe Räume eröffnet, die Geborgenheit und Sicherheit vermitteln, die Vertrauen und Offenheit ermöglichen. Dadurch konnten viele Patienten trotz ihrer Krebsdiagnose das innere Gleichgewicht wiederfinden, neue Wege wagen, dem Sinn des Lebens nachspüren und ihren Frieden finden.

Was macht Ihrer Meinung nach einen – oder diesen – „diakonischen Ort“ zum spirituellen Kraftort (Geschichte, Gestaltung, Personen …)?
Patienten, die erstmals die Hannah-Kapelle betreten, sind ganz angetan von ihr, von der Ruhe und der Freundlichkeit, von dem Geist in diesem Raum. Sie spüren: Hier darf ich mich zeigen, wie ich bin – mit meinen Ängsten und Sorgen, mit meiner Verzweiflung und Wut, mit meinen Tränen; aber auch mit meiner Freude und Hoffnung. Ein Ort, wo ich mir selbst und den anderen offen begegnen darf, der stärkt und zum Wiederkommen einlädt. Solch ein Ort braucht einen Gastgeber bzw. eine Gastgeberin, der/die diakonisch arbeitet, auf die Patienten und ihre Angehörigen zugeht und sie einlädt, ihre Bedürfnisse ernst nimmt und Gemeinschaft stiftet im Sinne des Evangeliums.

Was würden Sie in Ihrem Arbeitsumfeld räumlich ändern, wenn Sie die Freiheit und Mittel dazu hätten, damit die Arbeit, die Ihnen am Herzen liegt, noch besser gelingt?
Ja, wenn ich die Freiheit und die Mittel hätte, dann würde die „Hannah-Kapelle“ im übertragenen Sinn ein großes Haus mit vielen unterschiedlichen Räumen werden, ein psychoonkologisches Zentrum mit vielen hilfreichen Angeboten. Ein lebendiges und warmes Haus, wo Patienten und ihre Angehörigen professionelle Hilfe und Unterstützung erhalten.

Und sonst? Haben Sie weitere Gedanken, Anmerkungen, Anregungen zur Bedeutung – und vielleicht auch zur Relativierung – diakonischer Orte?
Neben der Hannah-Kapelle gibt es viele weitere Orte der Henrietten-Stiftung , die bedeutsam sind, wie z. B. der Salemsfriedhof in Hannover-Kirchrode, die kleine Kapelle in Alt-Bethesda – nur zehn Meter von der Hannah-Kapelle entfernt –, aber auch die Mutterhauskirche in der Marienstraße, ebenso die 270 Jahre alte Blutbuche im Garten und die vielen kleinen Erinnerungsinseln im Krankenhaus. Alles Orte, die einladen zum Verweilen. Sie vermitteln einen Eindruck von vergangenen Tagen und wechselvollen Zeiten und von dem, wie es heute ist. Wer sie betrachtet, wird sich an eigene Begegnungen mit Menschen aus der Diakonie erinnern. Wenn ich z. B. auf dem Friedhof an dem Grab von Schwester Hella vorbeigehe, grüße ich sie und denke daran, wie sie mich bei meinen ersten Gottesdiensten in der Simeonkirche vor fünfzehn Jahren mit den Worten ermutigt hat: Das schaffen Sie!

Ja, Diakonie ist ein kraftvoller Ort der Begegnung!

Vielen Dank!

 

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