Kraftorte: Interview mit Schwester Astrid Horn

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DIAKONISCHE PILGERREISEN: DER BLOG

Wir entdecken Diakonische Pilgerorte –
diesmal auf der Spur von: Schwester Astrid Horn

„Diakonische Orte oder Einrichtungen sind Orte mitten in der Welt. Sie müssen auch entsprechend wirtschaftlich und effektiv arbeiten. Doch wichtig erscheint mir, dass sie Orte des gelebten Glaubens bleiben, so wie sie vor über hundert Jahren angetreten sind. Orte, die sich ihrer Tradition bewusst sind, die alte schöne Rituale weiter leben und in die moderne Welt tragen.“

Schwester Astrid Horn ist seit den siebziger Jahren im Bodelschwingh-Haus Wolmirstedt tätig. Im Diakonischen Fachdienst der Einrichtung übernimmt sie Verantwortung für das geistliche Leben im Haus. Zu ihren Aufgaben gehören u. a. das tägliche „Morgenlob“ in der Kapelle, Andachten in der Kapelle und den Wohn- und Arbeitsbereichen sowie die Seelsorge für Bewohner und Mitarbeitende.

Sie beschäftigen sich beruflich und/oder ehrenamtlich mit Diakonie. Was liegt Ihnen dabei besonders am Herzen?
Seit über vierzig Jahren bin ich beruflich in der Diakonie tätig. Von Anfang an bis heute geht es mir dabei um den Menschen, um jeden Einzelnen, der trotz Handicap eine außerordentliche Persönlichkeit ist. Mit Stärken und Grenzen. Ein Mensch, von Gott gewollt und geliebt. Ich kann eine Brücke sein, dass dies für die Bewohnerinnen und Bewohner hier erfahrbar wird.

Gibt es eine persönliche Erfahrung, die Ihnen den Kern diakonischer Arbeit existenziell vor Augen geführt hat?
Eine tiefgreifende Erfahrung habe ich in meiner Konfirmandenzeit gemacht bei einem Besuch in einer Behinderteneinrichtung. Die Leiterin, eine ältere Diakonisse, sagte: „Wir brauchen neue Arbeiter im Weinberg Gottes, die diesen sozialen Dienst an den Schwachen tun.“ Im Sinne von dem, was Jesus uns auf den Weg gibt: „Was ihr getan habt unter den Geringsten, das habt ihr mir getan.“

An welchem Ort (in welcher Einrichtung, in welchem Haus oder Raum) ist Diakonie für Sie in besonderer Weise sichtbar und erfahrbar geworden und was hat Sie dort fasziniert?
Mein gesamtes Berufsleben bin ich im Bodelschwingh-Haus Wolmirstedt. Hier gehalten hat mich die Kombination aus der benediktinischen Lehre: „Bete und arbeite“. Bis heute ist geistliches Leben im Bodelschwingh-Haus präsent und wird gelebt. In Andachten, Gottesdiensten, Konzerten und dem täglichen Morgenlob. Dazu haben wir für die Vorweihnachtszeit eine Tradition aus den Anfängen im 19. Jahrhundert: das Adventslicht aus der Kapelle in alle Räume der Einrichtung zu tragen. Mitarbeiter singen die frohe Botschaft der Adventslieder und zünden in fast jedem Raum ein Licht an.

Was macht Ihrer Meinung nach einen – oder diesen – „diakonischen Ort“ zum spirituellen Kraftort (Geschichte, Gestaltung, Personen …)?
In der Diakonie zu arbeiten ist nicht nur Beruf, sondern auch Berufung. Zur Zeit der DDR war die Ausbildung zur Kinderdiakonin staatlich nicht anerkannt. Behindertenarbeit hatte damals keine Lobby. Doch die Menschen, die hier wohnen, brauchten und brauchen Begleitung. Die gelebte Gemeinschaft schweißte zusammen – auch wegen der beengten räumlichen Situation. Wir waren immer wie eine große Familie oder eine Mannschaft auf einem Schiff. Ein Kirchenschlager dieser Zeit war „Ein Schiff, das sich Gemeinde nennt“. Wir haben das Glück, eine Kapelle auf dem Gelände zu haben, einen direkten Ort, der Raum für Stille und Aktionen bietet.

Was würden Sie in Ihrem Arbeitsumfeld räumlich ändern, wenn Sie die Freiheit und Mittel dazu hätten, damit die Arbeit, die Ihnen am Herzen liegt, noch besser gelingt?
Das Bodelschwingh-Haus kommt aus der Tradition der Diakonie des 19. Jahrhunderts. Das Hauptgebäude ist alt und ehrwürdig, aber für die Wohn-, Arbeits- und Betreuungsanforderungen unserer Zeit nicht mehr geeignet. Behinderte Menschen wünschen sich, wie alle anderen auch, mitten in der Stadt in eigenen Wohnungen zu leben, so normal wie möglich, und möglichst auch auf dem normalen Arbeitsmarkt tätig zu sein. Dem kommen wir auch so gut wie es geht nach. Aber was passiert mit den alten traditionsreichen Gebäuden? Ein schwieriger Spagat, aber die diakonische Hilfe macht nur Sinn, wenn sie auch dem entspricht, was die Menschen wollen und brauchen.

Und sonst? Haben Sie weitere Gedanken, Anmerkungen, Anregungen zur Bedeutung – und vielleicht auch zur Relativierung – diakonischer Orte?
Diakonische Orte oder Einrichtungen sind Orte mitten in der Welt. Sie müssen auch entsprechend wirtschaftlich und effektiv arbeiten. Doch wichtig erscheint mir, dass sie Orte des gelebten Glaubens bleiben, so wie sie vor über hundert Jahren angetreten sind. Orte, die sich ihrer Tradition bewusst sind, die alte schöne Rituale weiter leben und in die moderne Welt tragen. So werden sie vielleicht ein neues Erlebnis für Menschen, die bei uns arbeiten und „Kirche“ nicht kennen.

Vielen Dank!

Link zu den Webseiten: www.bodelschwingh-haus.de

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