Die Potenziale der Älteren

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Babyboomer gehen in Rente

Die Belegschaften in Deutschland altern, und zwar besonders da, wo viele Beamte und Festangestellte arbeiten, also im öffentlichen Dienst, aber auch in Kirche und Diakonie. Stark betroffene Berufsgruppen sind damit nicht zuletzt Pflegekräfte, Erzieherinnen und Sozialarbeiter. Wenn ab 2020 die Babyboomer in Rente gehen, scheidet ein Drittel der Mitarbeitenden aus. In der Pflege sind es sogar 40 Prozent. Selbst wenn es gelingt, junge Zuwanderer in die Arbeitsprozesse zu integrieren, liegt darin eine große Herausforderung für Pflegeheime und Tageseinrichtungen. Es ist höchste Zeit, sich der Frage zu stellen, wie es gelingen kann, ältere Mitarbeitende gesund und motiviert im Arbeitsprozess zu halten.

Powerager – bitte nicht abschreiben!

Tatsächlich fühlen sich 73 Prozent der Befragten ab sechzig Jahren jünger, als sie es vom chronologischen Alter her sind – und zwar im Durchschnitt 5,5 Jahre. Sie sind gesünder und besser vernetzt als frühere Altersgenerationen und sie haben viel einzubringen: Kompetenz, Urteilsvermögen und Verantwortungsbewusstsein nehmen mit dem Alter zu – genauso wie konzeptionelles Denken, Kooperations- und Teamfähigkeit. Und das bringen viele Menschen auch sehr gern in ihre Berufstätigkeit ein: Ältere wollen Wissen und Erfahrung teilen, Mitarbeitende motivieren und Modellfunktion für andere übernehmen. Sie sind ideale Mentoren und Coaches. Und manche starten auch mit sechzig noch einmal neu durch, wechseln das Berufsfeld oder machen sich selbständig.

Zugleich erleben viele Ältere Schwierigkeiten in ihren Arbeitssituationen. Der Mythos, Ältere seien weniger leistungsstark, führt dazu, dass sie weniger Wertschätzung erfahren, weniger Fortbildungsangebote bekommen – und weniger sanktioniert werden, wenn sie tatsächlich geringere Leistung erbringen. Viele werden abgeschrieben und halten nur noch durch. Studien zeigen: Wenn Unternehmen Älteren keine Innovation mehr zutrauen, trauen diese sich das auch selbst nicht zu. So nimmt auch die Zahl der Fehltage durch stressbedingte Krankheiten im Alter zu.

Die Chancen von Kirche und Diakonie

Es kommt darauf an, diese Haltung zu drehen. Dabei haben Kirche und Diakonie als große Arbeitgeberinnen viele Möglichkeiten, ihren Mitarbeitenden neue Chancen zu eröffnen: Praktika in anderen Betrieben oder Unternehmensteilen helfen, neue Fähigkeiten bei sich selbst zu entdecken. Die ältere Jugendmitarbeiterin kann in der Freiwilligenagentur mitarbeiten, der Verwaltungsmitarbeiter im Management der Flüchtlingsarbeit, die Erzieherin in der Schulsozialarbeit. Solche Seitenwechsel können in einer internen Jobbörse gebündelt und über Kirchenkreise oder Unternehmensverbände angeboten werden.

„Wir sind älter als 50 – na und?“

Unter diesem Slogan wurde bei der Sozial-Holding Mönchengladbach als Träger vieler Pflegeeinrichtungen ein Ausbildungsprogramm für Ältere aufgelegt. „Wir wollen Menschen so motivieren, dass sie ihre Stärken einsetzen können“, sagt der Geschäftsführer Helmut Wallrafen-Dreisow. Ältere Mitarbeitende erhalten Benefits wie einen psychologischen Beratungstermin innerhalb von zwei Wochen. Anderswo gibt es Beratung und Unterstützung bei der Pflege von Familienangehörigen und manche Träger bauen Wohnungen für Mitarbeitende. Kurz: Das kirchlich-diakonische Angebotsnetz von den Beratungsstellen bis zu den Wohnungsbaugesellschaften hat viel Infrastruktur, um die Erwerbsfähigkeit von Älteren zu erhalten. Es wird Zeit, diese Maßnahmen zusammenzuführen und eine Altersstrukturanalyse zur Pflicht zu machen. Wir reden zurzeit viel von Diversity, noch aber wird die Vielfalt der Generationen in der Sozialen Arbeit nicht so wichtig genommen.

Die Potenziale der Älteren sind da. Wir brauchen nur Fantasie und Kreativität, um Lösungen zu finden, wie sie genutzt werden können – als Bereicherung für die Menschen selbst wie für ihre berufliche und sonstige Umgebung. Theoretische Ansätze hierzu sowie auch Best-Practice-Modelle stelle ich in meinen Vorträgen und Workshops vor. Vielleicht kommen Sie auch vom 19. bis 23. Juni zum Kirchentag nach Dortmund? Am Donnerstag, den 20. Juni um 15 Uhr moderiere ich dort eine Podiumsdiskussion zum Thema „Produktiv – engagiert – ausgegrenzt? Altern in Arbeitswelt und Gesellschaft“. Ich bin gespannt, welche Ideen meine Gesprächspartner*innen präsentieren werden. Ihre vielfältigen Aktivitäten lassen spannende Impulse erwarten.

Ihnen wünsche ich einen schönen und auch kreativen Sommer!

Herzliche Grüße
Ihre Cornelia Coenen-Marx, Pastorin und Publizistin

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