Sterbehilfe-Debatte: Die Ängste der Deutschen

Die Legalisierung von ärztlich assistiertem Suizid setzt Menschen unter Druck, ihr Leben vorzeitig zu beenden. Diese Befürchtung teilen laut einer am Dienstag in Hannover vorgestellten Studie des Sozialwissenschaftlichen Instituts (SI) der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) sowohl Gegner als auch Befürworter der Beihilfe zur Selbsttötung. Demnach erwartet eine deutliche Mehrheit der Deutschen (60,8 Prozent), dass die Zahl der Menschen, die ihr Leben vorzeitig beenden wollen, um nicht zur Belastung für die Familie zu werden, durch eine Legalisierung ärztlicher Suizidbeihilfe steigen wird. „Diejenigen, die voraussagen, eine mögliche Legalisierung könne einen Dammbruch zur Folge haben, werden durch diese Werte gestützt“, so Gerhard Wegner, Leiter des SI. Umso dringlicher sei es, die tatsächlichen Gründe für die in Umfragen immer wieder deutliche Mehrheit der Befürworter von Sterbehilfe zu erforschen. „Zwar spielt der Wunsch nach Selbstbestimmung bei den Befürwortern der Sterbehilfe offensichtlich eine gewichtige Rolle“, so Wegner, „im Hintergrund steht aber eine Vielzahl an unterschiedlichen Ängsten.“

Bei Fragen nach den Ängsten im Blick auf das eigene Sterben zeigte sich, dass Ängste vor einem langen Sterbeprozess (61,8 Prozent) vor starken Schmerzen oder schwerer Atemnot (60,1 Prozent)  am weitesten verbreitet sind. Hierzu zählt auch die Sorge, den eigenen Angehörigen zur Last zu fallen (53,8 Prozent). Die Ängste vor dem eigenen Sterben sinken mit zunehmendem Alter: Für die Gruppe der mindestens 80-Jährigen spielen die Ängste die geringste Rolle.

Der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm warb angesichts der Ergebnisse der Studie dafür, über die Möglichkeiten aufzuklären, ein Sterben in Würde zu gestalten, ohne Leben vorzeitig zu beenden. „Wer auf neue gesetzliche  Optionen zur aktiven Beendigung des Lebens setzt, schwächt unsere vom Schutz des Lebens geprägte Sozialkultur. Das Engagement der christlichen Kirchen für die Hospiz- und Palliativversorgung in Deutschland dokumentiert eindrücklich, dass es bessere Alternativen gibt.“

Diakonie-Präsident Ulrich Lilie setzt sich für eine verlässliche Betreuung von alten pflegebedürftigen Menschen am Lebensende ein: „Insbesondere in stationären Einrichtungen der Altenhilfe muss mehr Geld investiert werden. Eine palliative Versorgung muss überall dort gewährleistet sein, wo Menschen sterben, und nicht nur in spezialisierten Einrichtungen. Nur so können wir den Menschen die Sicherheit geben, keinen langen qualvollen Tod sterben zu müssen.“

Anlass der Studie, die EKD und Diakonie in Auftrag gegeben hatten,  waren verschiedene Befragungen der vergangenen Monate, die zeigten, dass die Mehrheit der Bundesbürger sich  für eine Beihilfe zur Selbsttötung ausspreche. Um den Hintergrund dieser Antworten zu verstehen, wurde nach Erwartungen, Erfahrungen und Einstellungen der Menschen zum Thema Tod und Sterben gefragt, die bisher nicht erforscht wurden. Emnid befragte dazu telefonisch 2.052 Menschen ab 18 Jahren.

Deutschlandweit gibt es rund 300 Palliativstationen in Krankenhäusern. Etwa 50 Prozent sind in christlicher Trägerschaft. Damit verfügen nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin nur rund 15 Prozent der bundesweit etwa 2 000 Krankenhäuser über eine Palliativstation. Stationäre Hospize gibt es derzeit in Deutschland rund 210. Davon sind rund zwei Drittel in christlicher Trägerschaft.

Die SI-Studie ist unter www.ekd.de/download/150512_Ergebnisse_Umfrage_zum_Sterben.pdf im Internet abrufbar.

Hannover, 12. Mai 2015

Pressestelle der EKD
Carsten Splitt