Kraftorte: Interview mit Rainer Adomat, Geschäftsführer der Stiftung Hamburger Arbeiter-Kolonie

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DIAKONISCHE PILGERREISEN: DER BLOG

Wir entdecken Diakonische Pilgerorte –
diesmal auf der Spur von: Rainer Adomat

„In der Aura dieses Ortes meint man die langen Zeiträume zu spüren, in denen er wurde, was er ist. Durch kluge bauliche und konzeptionelle Entscheidungen haben viele Generationen mitgeholfen, die positive Ausstrahlung des Schäferhofs weiterzugeben und weiterzuentwickeln. […] Mich fasziniert der Gedanke, in einer schaffenden Generationenkette zu stehen, mich bemühend, sinnvoll mit meinem Tun an das Wirken der Vorgänger anzuknüpfen.“

Rainer Adomat, von Beruf her Lehrer für Deutsch und Geschichte, ist seit über dreißig Jahren in der Diakonie tätig, zunächst als Deutschlehrer für junge Migranten, dann als Leiter eines Migrationssozialdienstes, seit dem Jahr 2000 als Geschäftsführer der Stiftung Hamburger Arbeiter-Kolonie, die inzwischen nicht mehr in Hamburg, sondern in Schleswig-Holstein auf dem Schäferhof in Appen stationäre Hilfen für wohnungslose Menschen anbietet.

Sie beschäftigen sich beruflich und/oder ehrenamtlich mit Diakonie. Was liegt Ihnen dabei besonders am Herzen?
Mir liegt besonders am Herzen, dass arme und ausgegrenzte Menschen Zugang zur Fülle des Lebens finden. Dies meine ich in sozialer, ökonomischer, bildungsmäßiger und religiös-spiritueller Hinsicht. Immer wieder staune ich und bin traurig, wie wenig kreativ und engagiert wir sind, möglichst alle Menschen an den in unserer Welt, unserer Gesellschaft so zahlreich vorhandenen Möglichkeiten teilhaben zu lassen.

Gibt es eine persönliche Erfahrung, die Ihnen den Kern diakonischer Arbeit existenziell vor Augen geführt hat?
Ich habe eine ganz persönliche Erfahrung: In Klinikaufenthalten (sie waren glücklicherweise nicht sehr häufig) war ich für das Vorhandensein einer Kapelle oder eines Andachtsraums sehr dankbar, um Kraft und Besinnung zu finden. Allerdings muss solch ein Ort – hier sind wir schon beim Thema – eine besondere Gestaltung und Ausstattung besitzen. Ein schönes Beispiel ist für mich die Elisabeth-Kapelle im Klinikum in Elmshorn.

An welchem Ort (in welcher Einrichtung, in welchem Haus oder Raum) ist Diakonie für Sie in besonderer Weise sichtbar und erfahrbar geworden und was hat Sie dort fasziniert?
Ich habe in meinem mittlerweile schon recht langen diakonischen Berufsleben an verschiedenen Orten gearbeitet. An allen war Diakonie in besonderer, immer auch einmaliger Weise sichtbar und erfahrbar. Dies waren unter anderem ein modernes Verwaltungsgebäude des Kirchenkreises Pinneberg und eine ehemalige Stasikaserne bei Schwerin, jetzt ist es der Schäferhof in Appen im Kreis Pinneberg. In der Aura dieses Ortes meint man die langen Zeiträume zu spüren, in denen er wurde, was er ist. Durch kluge bauliche und konzeptionelle Entscheidungen haben viele Generationen mitgeholfen, die positive Ausstrahlung des Schäferhofs weiterzugeben und weiterzuentwickeln.

Was macht Ihrer Meinung nach einen – oder diesen – „diakonischen Ort“ zum spirituellen Kraftort (Geschichte, Gestaltung, Personen …)?
Mein Vorgänger im Amte sagte gelegentlich, der Schäferhof sei ein Ort, den der Herrgott bei der Schöpfung besonders liebgehabt hat. Die über Jahrhunderte gewachsene und behutsam weiterentwickelte Anlage mit Parkcharakter und einem beindruckenden Baumbestand vermittelt mir und hoffentlich anderen Geborgenheit und einen Eindruck von der Schönheit der Schöpfung. Auch ist faszinierend zu wissen, wie viel Mühe und in unserem Fall auch bürgerschaftliches Engagement und Spendenbereitschaft in all dem steckt. Ebenso fasziniert mich der Gedanke, in einer schaffenden Generationenkette zu stehen, und ich bemühe mich, sinnvoll mit meinem Tun an das Wirken der Vorgänger anzuknüpfen.

Was würden Sie in Ihrem Arbeitsumfeld räumlich ändern, wenn Sie die Freiheit und Mittel dazu hätten, damit die Arbeit, die Ihnen am Herzen liegt, noch besser gelingt?
Ich bin zunächst sehr dankbar, dass wir auf dem Schäferhof in den letzten Jahren sehr viel investieren konnten. An etlichen Stellen könnten Dinge noch verbessert werden, um den Schäferhof als – möglicherweise auch nur vorübergehende – Heimat für Wohnungslose und als Ort der Begegnung in der Region zu halten. Als konkrete Maßnahme fällt mir das Schaffen besserer Freizeitmöglichkeiten (Billardraum o. ä.) für die Bewohner ein.

Und sonst? Haben Sie weitere Gedanken, Anmerkungen, Anregungen zur Bedeutung – und vielleicht auch zur Relativierung – diakonischer Orte?
Diakonische Orte erfahren ihre Besonderheit nicht in erster Linie durch ihre Baukörper. Diese unterstreichen in ihrer Beschaffenheit und Gestaltung nur den sozialen Zweck. Ein diakonischer Ort lebt insbesondere durch das Wirken der dort tätigen Menschen und durch ihren guten Geist, der stets mit Professionalität gepaart sein muss. Dies Wirken muss verlässlich und dauerhaft sein. Hilfebedürftige Menschen sollen sich von solchen Orten wieder entfernen (dürfen, können), wenn sich ihre Lage stabilisiert hat. Doch diese Menschen sollen wissen, dass in einer eventuellen neuerlichen Notsituation wieder jemand für sie da ist. In so einer Situation kann ein diakonischer Ort eine feste Orientierung bieten. Es ist wie mit einer Kirche: Wichtig ist nicht, dass ich regelmäßig hingehe, sondern wichtig ist, dass eine offene Kirche erreichbar ist, wenn ich sie brauche. Es ist eine besondere Funktion stationärer Wohnungslosenhilfe, solche Verlässlichkeit dauerhaft bieten zu können.

Vielen Dank!

Link zu den Webseiten: www.schaeferhof-sh.dewww.stiftung-hamburg.de

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